Info-Mail Dezember 2025

 

respect-NFI Info-Mail

 

INHALT

Übertourismus-Bekämpfung in Burabuy und Hallstatt (Teil 2): Woran es beiden fehlt … VON HARALD A. FRIEDL Zum Beitrag ...

Forschungsbasierte Schulkooperationen mit dem UNESCO Biosphärenpark Unteres Murtal VON HARALD A. FRIEDL Zum Beitrag ...

 

Übertourismus-Bekämpfung in Burabuy und Hallstatt (Teil 2): Woran es beiden fehlt … 

Was bisher geschah (siehe Info-Mail Oktober 2025): Eine Forschungsreise nach Kasachstan, Orientierungssuche zwischen stalinistischen Reminiszenzen und moderner Pop-Kultur, Naturtourismus zwischen stiefmütterlicher Vernachlässigung und „unlösbarem“ Übertourismus – wie in Hallstatt. Doch warum unlösbar? Auf der Suche nach einem sinnvollen Forschungsthema wurde diese Frage zur Offenbarung …

VON HARALD A. FRIEDL

© Harald A. Friedl
Souvenirladen in Burabuy © Harald A. Friedl

Wie im Info-Mail vom Oktober berichtet, erhebt sich der kasachische Nationalpark Burabuy malerisch aus einer weiten grünen Ebene. Nur 80 km von der nächstgelegenen Universitätsstadt Kokshetau und 250 km von der Hauptstadt Astana entfernt, ist dieser Park das logische Ziel für alle Menschen, die übers Wochenende „grüne Berge“ erleben wollen. In der Hochsaison führt dies zu stundenlangen Staus.

© Harald A. Friedl
Landkarte des Nationalparks Burabuy und Umgebung in Kasachstan

Als wesentliche Treiber des globalen Tourismuswachstums gelten die Verbreitung von raschen und billigen Transportmitteln (PKWs und Flugzeuge), zunehmender Wohlstand und verfügbare Freizeit unter breiten Bevölkerungsschichten, politische Reisefreiheit und vor allem die Globalisierung der Tourismuskultur. Denn immer mehr Menschen leben hochdigitalisiert in Städten. Dies fördert die Sehnsucht nach grünen Freizeit-Paradiesen, wie sie über öffentliche und soziale Medien angepriesen werden. 

Dieser Mechanismus wirkt als Selbstverstärker: Je mehr Menschen Orte wie Burabuy oder Hallstatt besuchen und ihre (KI-getunten) Traum-Selfies veröffentlichen, desto stärker werden potenzielle Besucher*innen angefeuert, ihre eigene Fototrophäe zu „erringen“, koste es, was es wolle. Lange Wartezeiten im Stau sind dabei der erduldete Preis für den wertvollen Lohn, „dort gewesen zu sein“. 
Während in Hallstatt Teile der Bevölkerung immer häufiger gegen den wachsenden Ansturm an Selfie-Jäger*innen protestieren, bliebt in Kokshetau der Groll der Bevölkerung bislang noch unter einer Schmerzgrenze. Doch die Besucher*innenzahlen wachsen weiter. 

© Harald A. Friedl
Urbane Sehnsucht nach (gezähmter) Natur: Fütterung von „enthornten“ Hirschen als begehrtes Selfie-Motiv.  © Harald A. Friedl

 

Diskussionen über Wege zur Entzerrung des Besucher*innenansturms sind Legion – und in der Neuauflage des Buches „Overtourism“ (2025) von Andreas Kagermeier und Eva Erdmenger (utb-Verlag) gut dokumentiert. Die Gemeinsamkeit zwischen dieser Publikation, Hallstatt und Burabuy ist die Skepsis gegenüber limitierenden Regulierungen. Die Vorstellung, Zugänge zu Attraktionen ab einer maximalen Besucher*innenzahl zu schließen, verursacht allerorts Bauchschmerzen. Als würde der letzte Fels einer ohnehin brüchigen Welt gesprengt werden: das Glaubensbekenntnis zum unlimitierten Wachstum. 

Worin liegt die Angst vor Zugangsbeschränkungen? Eine (unveröffentlichte) Studie der FH JOANNEUM zur „Bewältigung von Übertourismus in Hallstatt“ (2025) konnte auffällige Informationsdefizite aufzeigen, die auch für Burabuy typisch waren: exakte Daten über Besucher*innenzahlen und -zeiten sowie über Geldströme. Wer profitiert wie vom Tourismus? All dies bleibt für die Bevölkerung im Dunkeln, womit sich Ängste vor drohenden Folgen sinkender Tourist*innenzahlen schüren lassen. 

Ob Hallstatt, Burabuy oder andere unter Übertourismus leidende Städte: Zu wenig Transparenz scheint das zentrale Hindernis für die einvernehmliche Einführung von klaren Zugangsbeschränkungen zu sein. Denn Intransparenz schürt Misstrauen und verhindert damit eine gemeinsame Suche nach einvernehmlichen Lösungen. Diese Strategie sicherte bereits dem Römischen Imperium die Herrschaft über unterworfene Regionen. Deren Erfolgsprinzip „Divide et impera!“ (Teile und herrsche!) wurde auch zum bewährten imperialen Instrument der Kolonialmächte. 

Doch auch die Zukunft verspricht keinen Ausweg aus diesem Desinformations-Dilemma. Denn mit dem Siegeszug der KI wird die Unterscheidung zwischen Faktentreue und Deep-Fake zunehmend verunmöglicht. Wie es scheint, muss der „Schmerz“ durch Übertourismus erst groß genug werden, damit die Widerstände gegen wirksame Besucher*innenbeschränkungen und trotz bestehender Intransparenz schwinden. 
 

Zum Autor:

HARALD A. FRIEDL ist assoz. Professor für Nachhaltigkeit und Ethik im Tourismus am Institut für „Gesundheits- und Tourismusmanagement“ an der FH JOANNEUM – University of Applied Sciences – in Bad Gleichenberg, Österreich. Der Jurist und promovierte Ethiker war international als Touristiker tätig. Seine aktuelle Forschung fokussiert auf interkulturelle Kommunikation und Förderung von Transition in Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung, Technikfolgenabschätzung und auf gesundheitsförderliche, ethisch verträgliche Tourismusprodukte. Er ist Mitglied des Wissenschaftsbeirates des „Tourism Panel on Climate Change“ (TPCC). Kontakt: harald.friedl@fh-joanneum.at


 

Forschungsbasierte Schulkooperationen mit dem UNESCO Biosphärenpark Unteres Murtal

Im südöstlichsten Winkel Österreichs liegt der jüngste UNESCO Biosphärenpark. Nun sollen Studierende der FH JOANNEUM Methoden entwickeln, um den Bezug von Schüler*innen zu diesem wertvollen Naturraum zu fördern. Wie kann das gehen? 

VON HARALD A. FRIEDL

Projektteam
Das studentische Projekt-Team des Master-Studiengangs „Lebensqualität und Nachhaltigkeit im Tourismus“

Der von Kraftwerken verschonte Unterlauf der Mur an der Grenze zu Slowenien wurde 2019 zum „UNESCO Biosphärenpakt Unteres Murtal“ erklärt. Mit dieser politischen Maßnahme sollte in der umliegenden Region Naturschutz und nachhaltige Kulturentwicklung möglichst harmonisch verbunden werden. Schülerinnen und Schüler werden hier als Schlüsselpersonen betrachtet, um einen Bezug zu diesem wertvollen Naturraum aufzubauen. Das theoretische Rüstzeug dafür soll Bildung für nachhaltige Entwicklung liefern. Nur: Wie können diese jungen Menschen wirkungsvoll erreicht und begeistert werden? 

Diese Frage beforschen derzeit Studierende des Masterstudiengangs „Lebensqualität und Nachhaltigkeit im Tourismus“ an der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg. Dazu werden zunächst die Grundlagen für wirkungsvolle Bildungsarbeit zum Thema Naturverbundenheit erhoben. Zugleich ist zu klären, welche Schulen offen für eine vertiefte Beziehung zum UNESCO-Biosphärenpark sind. Mit diesen Schulen soll ein Kooperationsnetzwerk aufgebaut und durch entsprechende Strategien – wie regelmäßige Newsletter und Veranstaltungen – vertieft werden. 

Projektmeilensteinplan
Der Meilensteinplan des studentischen Projekts

Vor allem wird das Studierenden-Team pädagogisch sinnvolle Methoden zur schulischen Förderung von Naturverbundenheit erheben und zu einem „Methodenkoffer“ aufbereiten. Dieser soll den Partnerschulen des Biosphärenparks als Abschluss des Projekts bis Juni 2026 bereitgestellt werden. 

Für dieses Projekt kooperiert die FH JOANNEUM mit dem Regionalmanagement Südoststeiermark „Steirisches Vulkanland GesmbH“. Betreut wird das Projekt von Dr. Harald Friedl.

 

Zum Autor:

HARALD A. FRIEDL ist assoz. Professor für Nachhaltigkeit und Ethik im Tourismus am Institut für „Gesundheits- und Tourismusmanagement“ an der FH JOANNEUM – University of Applied Sciences – in Bad Gleichenberg, Österreich. Der Jurist und promovierte Ethiker war international als Touristiker tätig. Seine aktuelle Forschung fokussiert auf interkulturelle Kommunikation und Förderung von Transition in Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung, Technikfolgenabschätzung und auf gesundheitsförderliche, ethisch verträgliche Tourismusprodukte. Er ist Mitglied des Wissenschaftsbeirates des „Tourism Panel on Climate Change“ (TPCC). Kontakt: harald.friedl@fh-joanneum.at