Info-Mail April 2025

INHALT
Schönes, geliebtes, erdrücktes Hallstatt: Wie „fort“ vom Übertourismus? Zum Beitrag …
Klimaaktivismus bei Events – eine Lose‐Lose‐Situation? Zum Beitrag …
Authentizität vs. Inszenierung auf der Route 66 im Steirischen Vulkanland: ein Work in Progress. Zum Beitrag …
Schönes, geliebtes, erdrücktes Hallstatt: Wie „fort“ vom Übertourismus?
von HARALD A. FRIEDL
Viele Bewohner*innen und immer mehr Besucher*innen jener Gemeinde, die Bucket-List-Pilger*innen gerne als „schönsten Ort Österreichs“ bezeichnen, leiden unter den wachsenden Besuchermengen. Welche Maßnahmen aus rechtlicher Sicht möglich sind und aus systemischer und politischer Sicht sinnvoll erscheinen, erforschte ein Team der Institute „Gesundheit und Tourismus Management“ und „Software Design und Security“ der FH JOANNEUM sowie das „Büro für Freizeitrecht“. Mit interessanten Ergebnissen …

In Sachen Übertourismus gilt Hallstatt gleichsam als das Venedig Österreichs. Immer mehr Menschen wollen dieses Juwel am Hallstätter See besuchen, die meisten von ihnen nur für ein Selfie. Lässt sich das einfach abstellen? Aus Sicht des Naturwissenschaftlers und Datentechnikers Dr. Michael Melcher vom Institut für „Software Design und Security“ stellte sich zunächst die schlichte Frage nach verfügbaren Daten: Wie viele Menschen kommen wann und auf welchem Wege in die Gemeinde? Wo bewegen sie sich bevorzugt, und wo halten sie sich wie lange auf? Ohne faktenbasierte Antworten auf solche Fragen, erhoben durch systematisches Monitoring, drohten gut gemeinte Maßnahmen leicht ins Leere zu laufen.
Der Jurist und Experte für Freizeitrecht, Dr. Wolfang Stock (Büro für Freizeitrecht), untersuchte die rechtlichen Gestaltungsspielräume für die Einrichtung etwaiger Sperren von Zugängen zur Gemeinde. Diese gibt es zwar, doch wie so oft in einem Rechtsstaat ist es kompliziert.

Mit dem System des Übertourismus als globales Phänomen beschäftigte sich der Tourismusethiker Dr. Harald Friedl vom Institut für „Gesundheit und Tourismus Management“. Dabei konnten drei zentrale Erkenntnisse zum Übertourismus abgeleitet werden:
1. Global stehen alle Zeichen auf touristisches Wachstum, kurzfristigen Dellen wegen Pandemien oder kreativer Zollpolitiken zum Trotz. Die Zukunft verheißt somit immer mehr Tourist*innen, besonders für charismatische Orte wie Hallstatt.
2. Übertourismus ist ein hochkomplexes Problem, für das es – typischerweise – keine einfachen Lösungen gibt. Vielmehr müsse auf allen Ebenen der Tourismusentwicklung angesetzt werden, etwa durch De-Marketing, Partizipation der betroffenen Stakeholder, nachhaltige Destinationsentwicklung, alternative Produktentwicklung und …
3. … ungeliebte Lösungen wie harte Zugangsbeschränkungen: An der Abkehr vom Credo des Wachstums führt über kurz oder lang kein Weg vorbei, will man einen Ort als qualitätsvollen Lebensraum für Einheimische bewahren. Analog zum Fall der Klimaerwärmung stellt man sich zeitnah gemeinsam dem Problem und rauft sich zu wirksamen Kompromissen zusammen – oder man wartet zu, bis das ausufernde Problem zu harten Maßnahmen zwingt …
Klimaaktivismus bei Events – eine Lose‐lose‐Situation?
von HARALD A. FRIEDL
Blockierte Mega-Events, verbissene Klima-Kleber*innen, wütende Besucher*innen? Wie lässt sich die potenzielle Konfliktspirale zwischen emissionsintensiven Veranstaltungen und Klimaaktivist*innen durch kooperative Strategien in eine Win-win-Situation umlenken? Eine Forschung von JETTE STEYER , Absolventin des Studiengangs „Gesundheit-, Tourismus- und Sportmanagement“ der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg.

Die Veranstaltungsbranche, dabei ganz besonders Sportevents, stehen gegenüber Klimaaktivist*innen, die solche Events durch Protestaktionen stören, vor Herausforderungen. Denn derartige Störungen führen zu schlechter Planbarkeit, erhöhtem Verletzungsrisiko für Teilnehmer*innen, potenziellen finanziellen Schäden und einem drohenden Imageverlust. Gleichzeitig scheint auch die Gruppe der Klimaaktivist*innen nicht zwingend von Veranstaltungsstörungen zu profitieren. Zwar rücken Protestaktionen bei Events die Klimakrise in den öffentlichen Diskurs, drücken aber zunehmend die Zustimmung für Proteste und klimaaktivistische Gruppen seitens der Bevölkerung. Damit droht beiden Seiten – Veranstalter*innen wie Klimaaktivist*innen – eine Lose-Lose-Situation.
Jette Steyer, mittlerweile Absolventin der Vertiefungsrichtung „Sport- und Event-Management“ am Campus der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg, suchte im Rahmen ihrer Masterarbeit nach einem Ausweg aus dieser Patt-Situation. Besonders spannend dabei neben den Interviews mit Expert*innen aus beiden Lagern auch die Wege, um überhaupt an engagierte Klimaaktivist*innen zu gelangen.
Die Ergebnisse ihrer Analyse zeigten ein höchst differenziertes Bild, das keine einfachen Lösungen erkennen lässt. Denn der Hauptgrund für die Störungen von Veranstaltungen ist die Generierung von Aufmerksamkeit. Darum könnten Kooperationen zwischen Veranstalter*innen und Aktivist*innen zwar Lösungen bieten, doch hängt der Erfolg stark von den jeweiligen Rahmenbedingungen und der individuellen Ausgestaltung der Zusammenarbeit ab.

Dennoch konnte die Autorin vier Handlungsstrategien herauskristallisieren, um Schäden für Evens möglichst gering zu halten:
1. Partizipationsstrategie: die frühzeitige, kooperative Einbindung von Aktivist*innen in die Event-Organisation
2. Nachhaltigkeitsstrategie: umgesetzte Nachhaltigkeitsmaßnahmen bei Events ausbauen und besser und gezielter kommunizieren
3. Sicherheitsstrategie: für präventive Situations- und Risikoanalysen mögliche klimaaktivistische Veranstaltungsstörungen berücksichtigen und ins Sicherheitskonzept der Veranstaltung aufnehmen
4. Reaktionsstrategie: Vorbereitung von konstruktiven, deeskalierenden Reaktionen auf potenzielle klimaaktivistische Veranstaltungsstörungen, etwa indem Veranstalter*innen den Aktivist*innen Gehör für ihre Anliegen schenken statt Machtdemonstrationen auszuüben.
Die gesamte Arbeit ist auf dem Forschungsserver des Wissenschaftsministerium als Beitrag zum SDG 17 veröffentlicht: https://www.bmwet.gv.at/dam/jcr:7dc8be42-ac00-4267-b766-94ff52cf77ea/Steyer_2024_SDG17.pdf
Authentizität vs. Inszenierung auf der Route 66 im Steirischen Vulkanland: ein Work in Progress
von HARALD A. FRIEDL
Die „Route 66 – Straße der Lebenslust“ im Steirischen Vulkanland verbindet verschiedene Erlebnismanufakturen, die Besucher*innen Einblicke hinter die Kulissen bieten. Dabei stellt sich für die Produzent*innen die Herausforderung, eine Balance zwischen der Störungsfreiheit ihrer Produktionsabläufe und den Erwartungen der Tourist*innen zu finden. Welche Unterstützung diese Produzent*innen dafür benötigen, untersucht derzeit SARAH GARTNER.

Die „Route 66 – Straße der Lebenslust“ ist ein gebündeltes touristischen Leitprodukt im Steirischen Vulkanland. Entlang dieser Strecke durch Weinberge und vorbei an Burgen und Kurorten in der Südoststeiermark befinden sich Erlebnismanufakturen wie Zotter Schokolade, Gölles Schnäpse oder Vulcano Schinken, die interessierten Besucher*innen einen geführten Zugang zu den Geheimnissen der Produktion von Köstlichkeiten ermöglicht.
Doch abseits dieser Besuchermagneten gibt es zahlreiche kleine, feine Betriebe mit noch wenig touristischer Erfahrung. Tourist*innen wiederum suchen an diesen Orten nach besonderem, erlebnisreichem Genuss, was den Führungen ein Mindestmaß an professioneller Inszenierung abverlangt. Damit stehen solche Erlebnismanufakturen in einem Spannungsfeld zwischen den Anforderungen ihrer Betriebsabläufe einerseits und den touristischen Erwartungen andererseits.
Sarah Gartner ist aktuell im 4. Semester ihres Masterstudiums „Gesundheit-, Tourismus- und Sport-Management“ an der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg. Als langjährige Beraterin für Urlaub-am-Bauernhof-Betriebe ist ihr diese Diskrepanz gut vertraut. Darum sucht sie im Rahmen ihrer Forschung für ihre Masterarbeit nach fundierten Empfehlungen, wie Begegnungen zwischen Tourist*innen und Erlebnismanufakturen im Steirischen Vulkanland erfolgreich gestaltet werden können. Dazu kommen Methoden wie Leitfadeninterviews mit Anbieter*innen und Besucher*innen von Erlebnismanufakturen sowie verdeckte teilnehmende Beobachtungen bei entsprechenden Führungen zum Einsatz. Damit will sie klären, welche Erwartungen Besucher*innen an Erlebnismanufakturen hegen und mit welchen konkreten Herausforderungen bei Führungen sich die Anbieter*innen konfrontiert sehen. Die gewonnenen Ergebnisse sollen in die Entwicklung von Schulungsmaterialien mit praktischen Do’s und Don’ts einfließen und damit die Anbieter*innen unterstützen.