Infomail Wissenschaft Nr. 12 (November 2023)

 

Infomail Wissenschaft nr 12

 

INHALT

Künstliche Intelligenz im Tourismus: Zwischen Hoffnungen auf „Lösung für alles“ und Befürchtungen von totaler Überwachung. Ein Diskurs von HARALD A. FRIEDL (FH JOANNEUM), CORNELIA KÜHHAS (respect_NFI) & VERA THALER (fairunterwegs) ---> zum Beitrag

„Destination GREEN“ – eine App für nachhaltigeres Reisen und mehr Regionalität. Von JETTE STEYER, LEAH-ISABELL HEUER & LISA ALMER/FH JOANNEUM Bad Gleichenberg ---> zum Beitrag

Digitalisierung in der naturbezogenen Freizeit- und Erholungsnutzung – das Potenzial einer nachhaltigen Angebotsplanung. Interview mit Dr. KAROLINA TACZANOWSKA/Universität für Bodenkultur Wien ---> zum Beitrag

Den „Digital Gap“ zur Lösung des Fachkräftemangels überbrücken. Von HARALD A. FRIEDL/FH JOANNEUM Bad Gleichenberg ---> zum Beitrag

Per App zu nachhaltiger Tourismusentwicklung in Georgien. Von Harald A. Friedl, FH JOANNEUM ---> zum Beitrag

Die Digitale Revolution im Büro und auf Reisen. Von SABRINA HAASE, fairunterwegs ---> zum Beitrag auf der Seite von fairunterwegs

 

 


 

Künstliche Intelligenz im Tourismus: Zwischen Hoffnungen auf „Lösung für alles“ und Befürchtungen von totaler Überwachung

Ein Diskurs von HARALD A. FRIEDL (FH JOANNEUM), CORNELIA KÜHHAS (respect_NFI) & JON FLORIN (fairunterwegs)

Robot created by Midjourney Bot 
Dieses Bild wurde mithilfe der KI Midjourney Bot generiert.


 
Harald Friedl: Mit der Verfügbarkeit von ChatGPT wurde klar: Unsere Welt erlebt einen Paradigmenwechsel. Künstliche Intelligenz (KI) hat so weitreichende Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens und Arbeitens, dass die Bedeutung dieser Technologie mit jener der Erfindung des Ackerbaus oder der Dampfmaschine vergleichbar ist: Letztere führte zur Industrialisierung und damit zur globalen und totalen Umgestaltung von Natur, Wirtschaft und Gesellschaften. Warum sollte dies auch für KI-Instrumente gelten?

Zwar sind diese – entgegen ihrer Bezeichnung – (noch) keineswegs intelligent im Sinne der Fähigkeit zur kritischen Reflexion. In Sachen Mustererkennung und Koordination übertreffen diese algorithmen-basierten „Maschinen“ menschliche Fähigkeiten so sehr wie Ozeanriesen ein Ruderboot. Was bedeutet dies für Tourismus?

„Retter in der Not“

Harald Friedl: Hilfestellung bietet KI dort, wo vielfältige Daten zu verarbeiten und komplexe Prozesse zu koordinieren sind: verschiedene Buchungskanäle abstimmen, familienfreundliche Dienstpläne in großen Unternehmen „errechnen“ oder Kundendateien für passende Sonderangebote analysieren. Angst vor fehlerfreier Korrespondenz mit internationalen Gästen? DeepL liefert auf Knopfdruck passende Übersetzungen. Horror vor dem leeren Blatt auf der Suche nach kreativen Werbeslogans? ChatGPT oder Google Bard liefern inspirierende Konzepte und hilfreiche Textentwürfe, begeisternde Illustrationen auf Anweisung zaubern DALL-E2. Fazit: Gekonnt eingesetzt, klug beauftragt und umsichtig kontrolliert übernimmt KI mühsame, nervtötende Arbeiten, regt neue Ideen an und spart Zeit, die angesichts von Fachkräftemangel im direkten Kundenkontakt produktiver eingesetzt werden kann.

Jon Florin: Allerdings können Roboter auch gleich die Arbeit der Fachkräfte ersetzen. Schon jetzt erledigt Roboter „Connie“ den Concierge Service im Hilton Hotel. Robot „Pepper“ hilft an Bord von Kreuzfahrtunternehmen Aida und in Japan ist die KI- basierte Hilfe noch umfassender: Im Henn-na-Hotel übernehmen die Roboter alle Aufgaben von der Begrüßung der Gäste bis zum Gepäcktransport. Dabei haben sie nicht unbedingt die Gestalt von Menschen. Es bedient einen auch ein Dinosaurier mit Concierge-Mütze. “Roboter werden Menschen überlegen sein”, prophezeite der prominente Physiker Stephen Hawking. Wenn die Menschen wie Roboter arbeiten, trifft dies wohl zu.

Cornelia Kühhas: Auch wenn das mancherorts schon Realität ist, diese Vorstellung widerspricht doch dem Wesen des Tourismus generell und besonders jenem des nachhaltigen Tourismus – es ist eine Branche von Menschen für Menschen, eine Branche, die Menschen zusammenbringt, wo Interaktion und Kommunikation zwischen Menschen stattfindet. Also, wie oben schon angesprochen: mühsame Arbeiten an KI abgeben und Menschen in der Arbeit mit den Kund*innen einsetzen.
 
„Das Nachhaltigkeits-Helferlein“

Friedl: Auch die Transition zu nachhaltigerem Tourismus unterstützt KI effektiv. Durch die rasche Erfassung und Verarbeitung riesiger Datenmengen können Entwicklungen früher erkannt werden, um rechtzeitig und gezielt gegenzusteuern. Präzisere Wettervorhersagen ermöglichen, auf Folgen von klimawandel-bedingten Wetterextremen, wie Überschwemmungen, extreme Hitze oder Waldbrände früher zu reagieren; Köche können durch Auswertung der Verhaltensmuster ihrer Gäste ihren Einkauf gezielter planen und dadurch Lebensmittelabfälle reduzieren. Die Verarbeitung von Verkehrsstrom-Daten ermöglicht Staus und Gedränge in populären Destinationen zu vermeiden …

Florin: Eine gezielte Besucherlenkung mag ein Lösungsansatz für (über)steigende Touristenzahlen sein. Indem Staus und Gedränge an beliebten Touristen-Hotspots bewusst reduziert werden, steigt nicht nur das Erlebnis für Besucher*innen vor Ort, auch die Umwelt und die Lokalbevölkerung wird von den teils ausufernden Auswirkungen des Massentourismus geschützt. Fragt sich allerdings, ob die Künstliche Intelligenz alle Probleme lösen wird – oder ob eine Umlenkung der Besucherwünsche letztlich nicht nachhaltiger sein wird.

Friedl: Das Appell zur Veränderung von Besucherwünschen halte ich für bedenklich. Aus neurobiologischer Sicht sind Wünsche selbst Reaktionen auf Reizmuster. So lässt sich Reisesehnsucht als Ausdruck der Anpassung an eine lange Tradition der verführerischen Werbung für “Paradise” interpretieren. Jede*r mag paradiesische Reiseziele, Staus hingegen passen nicht in dieses Bild. Wer durch rechtzeitige Signale die schmerzliche Erfahrung eines Staus durch befriedigende Alternativen verhindern kann, wird dem mit hoher Wahrscheinlichkeit folgen. Die Sehnsucht hingegen bleibt unverändert …

Kühhas: KI kann sicherlich die Optimierung von Betriebsabläufen unterstützen und damit den Verbrauch an Ressourcen und die CO2-Emissionen verringern helfen. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass die Digitalisierung selbst auch viele Ressourcen benötigt und auch CO2-Emissionen verursacht. Laut einer Studie von Bitkom – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. sind 1,8 bis 3,2 Prozent der globalen Emissionen von Treibhausgasen auf die Herstellung und den Betrieb digitaler Geräte und Infrastrukturen zurückzuführen (Klimaschutz durch digitale Technologien, Kurzstudie, 2020, https://www.borderstep.de/projekte/klimaschutz-durch-digitale-technologien/). Reduktionen von Emissionen durch den Einsatz von KI könnten durch Rebound-Effekte wieder zunichte gemacht werden …

Wesentlich für eine Wende zu einer nachhaltigen Tourismusentwicklung ist, dass Konsummuster und Verhaltensweisen geändert werden. Und hier kann die Digitalisierung durch Anreize unterstützen. Zum Beispiel im Bereich der Mobilität: Wenn eine klimafreundliche Reise von A nach B mithilfe von digitalen Tools einfach, quasi auf Knopfdruck, gefunden und gebucht werden kann, wird diese Variante von den Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

„Big Brother is watching you”

Friedl: Die Voraussetzung für effektive KI-Nutzung ist die Verfügbarkeit von Daten, je mehr, desto präziser die Prognosen. Im Fall von Wetterdaten kein Problem, bei Personendaten jedoch wird es gefährlich. Was totale Überwachung und Vernetzung von Daten bedeutet, demonstriert China: Dort „steuert“ die Regierung ihre 1,47 Mrd. Bürger:innen durch die flächendeckende elektronische Verhaltenskontrolle und Sanktion von Regelverstößen. Dies ist effektiv, aber das Gegenteil einer liberalen Demokratie, wie es Deutschland und Österreich bereits vor 90 Jahren erlebte. KI-Einsatz braucht darum hochwertige Ethik-Regeln, Transparenz und wirksame Kontrolle.

Florin: Stellt sich die Frage, ob angesichts der Möglichkeiten der Digitalisierung überhaupt noch gereist wird. Denn wenn einerseits der Kontakt zur Lokalbevölkerung weg digitalisiert wird (und selbst die Taxifahrerin durch ein selbstfahrendes Fahrzeug ersetzt wird) und wenn andererseits das Reisen immer teurer wird (etwa wegen steigender Flugtreibstoffpreise und der teuren Eintritte bei Touri-Hotspots), dann kann Mensch sich die Reise gleich ersparen und virtuell die Eigernordwand hoch und rund ums Matterhorn fliegen (mit einem kleinen Abstecher auf den Machu Picchu zu Zeiten der Inkas).  
 
Friedl: Das Fazit: Die globale touristische Entwicklungen nach der Aufhebung der pandemie-bedingten Reisebeschränkungen haben eines verdeutlicht: Menschen tun, was Spaß macht und möglich ist, unabhängig von Klimawandel oder anderen moralischen Implikationen. Instrumente der KI können jedoch Hilfestellung leisten, um unerwünschte Entwicklungen abzufedern oder gar gegenzusteuern. Lösung für alles kann KI keinesfalls sein. Zudem kann jedes Werkzeug auch missbraucht werden. Somit werden wir uns wohl auch unerfreulichen oder gar gefährlichen Entwicklungen sowohl DER KI als auch DURCH KI stellen müssen. Letztlich bleibt die Lösung für verantwortungsbewusste Reisende wie für Touristiker*innen unverändert: Aufmerksam und kritisch bleiben, sich weiterbilden und nicht müde werden, an konstruktiven Lösungen zu arbeiten …

 

DIE GESPRÄCHSPARTNER*INNEN:

Harald A. Friedl ist assoz. Professor für Nachhaltigkeit und Ethik im Tourismus am Institut für „Gesundheit und Tourismus Management“ an der FH JOANNEUM – University of Applied Sciences - in Bad Gleichenberg, Österreich. Der Jurist und promovierte Ethiker war international als Touristiker tätig. Seine aktuelle Forschung fokussiert auf interkulturelle Kommunikation und Förderung von Transition in Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung, Technikfolgenabschätzung und auf gesundheitsförderliche, ethisch verträgliche Tourismusprodukte. Er ist Mitglied des Wissenschaftsbeirates des „Tourism Panel on Climate Warming“ (TPCC). Kontakt: harald.friedl@fh-joanneum.at

Cornelia Kühhas studierte Landschaftsökologie und -gestaltung an der Universität für Bodenkultur in Wien. Sie leitet den Arbeitsbereich „RESPECT – Nachhaltige Tourismusentwicklung und Entwicklungszusammenarbeit“ bei der Naturfreunde Internationale. Kontakt: cornelia.kuehhas@respect.at

Jon Andrea Florin hat Soziologie und Betriebswirtschaftslehre studiert und – unter anderem – eine Suppen- und Weinbar geführt. Er leitet seit 3 ½  Jahren fairunterwegs. Kontakt: jon.florin@fairunterwegs.org

 


 

AnkerAnker„Destination GREEN“ – eine App für nachhaltigeres Reisen und mehr Regionalität

Von JETTE STEYER, LEAH-ISABELL HEUER & LISA ALMER / FH JOANNEUM Bad Gleichenberg

© Österreichischer Tourismustag
© Österreichischer Tourismustag

Drei Studentinnen des Masterstudiengangs „Gesundheits-, Tourismus- und Sportmanagement“ der FH JOANNEUM entwickelten eine Idee zur Förderung des regionalen Tourismus in Österreich: ein Konzept für eine App mit Belohnungssystem, um zu einem nachhaltigeren Handeln der Gäste beizutragen und gleichzeitig Wissen über Nachhaltigkeit und die Destination anhand spielerischer Elemente zu vermitteln. Die App „Destination Green“ soll Challenges und Quizzes enthalten und dazu dienen, das Urlaubsziel auf eine neue Art und Weise zu entdecken. Das Konzept wurde im Zuge des Österreichischen Tourismustages in Wien vorgestellt und mit dem Hauptpreis ausgezeichnet.

Am 2. Mai fand der Österreichische Tourismustag 2023 im Austria Center in Wien statt. Erstmals wurde im Zuge dieser Veranstaltung der Young Talents Award vergeben. Dafür gab es im Voraus die Möglichkeit, Konzepte einzureichen, die dazu beitragen sollen, die Tourismusbranche weiterzuentwickeln und den Tourismus in Österreich zu fördern. Unter allen Einreichungen wurden drei Teams ausgewählt und eingeladen, ihr entworfenes Konzept am Veranstaltungstag zu präsentieren. Zu den geladenen Teams zählte jenes der drei Autorinnen Jette Steyer, Leah-Isabell Heuer und Lisa Almer. Die Präsentation der drei Studentinnen des Masterstudiengangs Gesundheits-, Tourismus- und Sportmanagement der FH JOANNEUM hatte die Jury und das ebenfalls mitstimmende Publikum so sehr überzeugt, dass deren Konzept auf den ersten Platz gewählt wurde. Dafür erhielten die Teammitglieder jeweils ein Preisgeld in der Höhe von 1500 Euro sowie eine gemeinsame Aktivität im Nationalpark Hohe Tauern.

Das digitale Tool „Destination GREEN“

Die Produktidee „Destination GREEN“ stellt eine App dar, die verschiedene Aufgaben sowie Challenges mit Verbindungen zu den Themen Nachhaltigkeit, bewusster Ressourcenumgang, nachhaltiges Reisen und Entdecken einer Region. Durch die Verwendung der App sammeln Nutzer*innen Punkte durch verschiedene, in der App gestellte Aufgaben und werden in weiterer Folge in Form von Rabatten und anderen Vergünstigungen belohnt. Im Fall der Pilotregion, dem „Thermen- und Vulkanland Steiermark“, könnten etwa drei der gläsernen Manufakturen entlang der Vulkanland Route 66 besucht werden.

desination green
App Destination Green

Während des Aufenthalts scannen die Besucher*innen die dort platzierten QR Codes und bekommen in der App dafür Punkte gutgeschrieben. Sobald die ersten 50 Punkte gesammelt wurden, können diese für regionale Vergünstigungen bei Partnerbetrieben eingelöst werden. Dies könnte etwa eine kostenlose Tafel Schokolade im Fall des Besuchs der Schokoladenmanufaktur Zotter in Riegersburg sein. Auf diese Weise wird mittels Gamification und Nudges nachhaltigkeitsorientiertes Handeln der Gäste gefördert. Vor allem aber soll die App zur Entdeckung einer Region animieren.

Damit dieses Zusammenspiel aus Entdeckungen und Belohnungen gelingen kann, sollten möglichst viele regionale Betriebe eingebunden werden. Als Lohn werden diese Unternehmen über ihre Zusammenarbeit mit „Destination GREEN“ gleichermaßen gestärkt wie das daraus erwachsende regionale Netzwerk. Denn über die in der App bereitgestellten Challenges und Belohnungen setzen die regionalen Stakeholder Anreize für eine stärkere Gästefrequenz. Damit verbessert sich sowohl der Bekanntheitsgrad als auch das Image der Betriebe.

Vom Auto zum klimafreundlichen „Erfahren“ der Region

Die Nutzer*innen der App wiederum „lernen“ durch die Nutzung der Challenges, wie sie nachhaltiger reisen können, indem sie klimafreundliche Alternativen zum individuellen Autoverkehr aufgezeigt bekommen, etwa durch unmittelbare Hinweise auf relevante Busverbindungen oder attraktive Radwege.
Die Idee entstand aus Überlegungen über Rückwirkungen von neuen Trends und Bedürfnissen in der Gesellschaft auf die Tourismusindustrie. Dazu zählt etwa die zunehmende Häufigkeit des Phänomens „Overtourism“, jene Belastung von Reisezielen durch übermäßigen und hochkonzentrierten Tourismus. Folgen davon sind intensiver Ressourcenverbrauch, verbunden mit hohen CO2-Emissionen und damit einer zunehmenden Klimabelastung sowie ökonomischer Druck auf lokale Gemeinschaften zu deren Anpassung. Längerfristig führt dies zum Verlust der Einzigartigkeit von Reisezielen.

Nachhaltigkeit mag sich in manchen Kreisen zu einem Lifestyle-Trend entwickeln, der Mainstream-Tourismus hingegen orientiert sich wenig an solchen zukunftsfähigen Reisemustern. Dies steht jedoch der Erfüllung der Sehnsucht nach authentischen Erfahrungen entgegen. Eine aktive, durch Gamification stimulierte Entschleunigung des Tourismus zeigt alternative Reisemöglichkeiten auf und eröffnet neue, zukunftsfähigere Wege für die Entwicklung der Tourismusindustrie. Zur Entfaltung einer solchermaßen nachhaltigeren und bewussteren Reisekultur will „Destination GREEN“ einen Beitrag leisten – nach dem Motto: „Travel slower. Experience more. Make the world more sustainable – with Destination GREEN.“

© Österreichischer Tourismustag
Die Autorinnen bei der Auszeichnung
(© Österreichischer Tourismustag)

 


 

AnkerAnkerDigitalisierung in der naturbezogenen Freizeit- und Erholungsnutzung – das Potenzial einer nachhaltigen Angebotsplanung

Interview mit Dr. KAROLINA TACZANOWSKA/Universität für Bodenkultur Wien

Das Bedürfnis nach Erholung und Bewegung in der Natur ist in den letzten Jahren gestiegen. Befeuert wurde dieser Trend durch die Corona-Pandemie, als viele Menschen während der Lockdowns die Naturgebiete für ihre Erholung und Freizeitaktivitäten entdeckt und schätzen gelernt haben. Mit den höheren Besucherzahlen steigt aber auch der Druck auf die Natur, auf die Infrastruktur und auch die Einheimischen. Eine nachhaltige Angebotsplanung kann die Bedürfnisse der Erholungssuchenden und des Naturschutzes zusammenbringen. Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Wo liegen ihre Potenziale und Grenzen? Darüber hat Cornelia Kühhas mit Dr. KAROLINA TACZANOWSKA von der Universität für Bodenkultur in Wien gesprochen.

 

Karolina Taczanowska
Dr. Karolina Taczanowska (© BOKU)

 

Was versteht man unter Besucher*innen-Monitoring und Besucher*innen-Management im Kontext von naturbezogenem Tourismus und Erholung?

Ein systematisches Besucher*innen-Monitoring ist ein integraler Bestandteil einer erfolgreichen Destinationsmanagementstrategie. Es werden Pläne und Strategien entwickelt, um ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Besucher*innen und den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Kapazitäten des Standorts zu gewährleisten. Sie können sich aber auch mit spezifischen Herausforderungen befassen, z.B. mit Nutzungsengpässen, Übertourismus, Nutzungskonflikten, mit den Interaktionen zwischen Erholungssuchenden und Wildtieren, mit Risikomanagement usw.
Um faktengestützte Entscheidungen über die Bereitstellung von touristischer Infrastruktur, über die Bereitstellung von Informationen für die Besucher*innen und über die Entwicklung von Tourismusprodukten und -dienstleistungen treffen zu können, werden zuverlässige Daten über das Freizeitverhalten, über Präferenzen und Erwartungen der Besucher*innen benötigt.

… und hier kann die Digitalisierung, unter anderem Künstliche Intelligenz (KI), unterstützen?

Ja, genau. Wir befinden uns definitiv in einer Ära, die von digitalen Technologien geprägt ist. Die heutige Gesellschaft, wird oft als „digitale Gesellschaft“ bezeichnet, sie ist durch drei wesentliche Merkmale gekennzeichnet: 1) Digitalisierung, 2) Konnektivität (Vernetzung zwischen den Menschen und digitalen Systemen) 3) Datafizierung („datafication“: die Sammlung, Verarbeitung und Auswertung von digitalen Daten, also der „digitalen Spuren“, die wir bei der Nutzung von digitalen Tools hinterlassen).

Diese Entwicklung beeinflusst viele Aspekte unseres Lebens, u.a. das Freizeitverhalten in der Natur, wie etwa Destinationswahl, Routenplanung, Verhalten, Orientierung im Gelände, die Kommunikation mit Freund*innen und Familie bis hin zu öffentlich geteilten Text- und Multimedia-Berichten über die Freizeitaktivitäten bzw. über die besuchten Orte in sozialen Medien.

Ähnlich wie im urbanen Raum – Stichwort „Smart City“ – wollen wir auch in Erholungs- bzw. Naturräumen über digitale Daten das Verhalten der Besucher*innen besser verstehen und darauf aufbauend nachhaltige Angebote entwickeln bzw. auch Impulse für die Besucher*innen-Lenkung oder die Regionalentwicklung insgesamt erhalten.

Beispiele für die Anwendung von KI im Tourismussektor sind Vorhersagen zukünftiger Verhaltensweisen oder Serviceleistungen (z.B. Überfüllung, Nutzungsengpässe), Nachfragevorhersagen und Preisgestaltung (z.B. dynamische Preisgestaltung in Skigebieten), die Bereitstellung automatischer Besucher*inneninformationen (Chatbots und Online-Service für Besucher*innen; sprachbasierte Informationssysteme; digitale Empfehlungssysteme), die Datenverarbeitung und Datenanalyse.

© Lisa Schopper
© Lisa Schopper

Wie sieht das in der Praxis aus?

Künstliche Intelligenz hat eine lange Tradition in der Robotik. Eine Anwendung im Tourismusforschungsbereich ist die sogenannte „Agentenbasierte Modellierung“. Hier interagieren künstliche Besucher*innen mit einer virtuellen Umwelt. Mithilfe dieser Modelle kann man verschiedene Managementszenarien und ihre Wirkungen austesten. So können beispielsweise Besucherströme in Freizeitwegenetzen simuliert werden.

Ein solches Modell haben wir gemeinsam mit Kolleg*innen von der Universität Wageningen in den Niederlanden 2008 in der Lobau, dem Wiener Teil des Nationalparks Donau-Auen, entwickelt und angewendet. Dieses Modell ist die Basis für weitere Forschungsprojekte. In unserem laufenden Projekt „ForRest – Big Data im Monitoring von Erholungsnutzung der Waldgebiete“ im Großraum Wien validieren wir das Modell anhand verfügbarer Big Data zur räumlichen und zeitlichen Verteilung von Besucher*innen. (mehr Information zum Projekt: https://forschung.boku.ac.at/fis/suchen.projekt_uebersicht?sprache_in=de&menue_id_in=300&id_in=14929)

Was wir bislang gesehen haben, ist, dass über 95 Prozent der Besucher*innen das Mobiltelefon dabei haben – zwei Drittel der Erholungssuchenden benützen digitale Karten oder fotografieren. Im Übrigen ist zu sehen, dass die klassische Wanderkarte schön langsam ausgedient hat, sie wird sehr wenig verwendet.
Was sich auch erkennen lässt, ist, dass Radfahrer*innen oder Schitourengeher*innen gerne Technologie verwenden. Hier steht die sichere Planung der Tour im Vordergrund, etwa wenn aktuelle Wetterdaten abrufbar sind. Naturerlebnis und Technologie sind also kein Widerspruch. Wir Wissenschaftler*innen bekommen so mehr Daten, die uns helfen, das Freizeitgeschehen in Naturgebieten und Bergregionen besser zu verstehen. Allerdings sind Echtzeitinformationen, wie sie im urbanen Bereich schon gang und gäbe sind, im Naturerholungs- und Naturschutzbereich derzeit noch nicht Realität – aber in Zukunft wird es wohl Standard sein.

Ein weiteres Beispiel ist die Anwendung von Ansätzen des maschinellen Lernens, die auf großen Datensätzen zur Datenklassifizierung basieren. In unserem Forschungsprojekt in den Karpaten (Tatra-Nationalpark) wurde die Technik der „Self Organizing Maps“ zur Erstellung von Besucher*innenprofilen eingesetzt. Hier wurde eine große Anzahl von Variablen verwendet, um die Besucher*innen nach ihrem Verhalten, ihren Motiven und ihrer Demografie zu gruppieren.

Wo sind die Herausforderungen bei der Digitalisierung in Erholungs- und Naturräumen?

Ich sehe aktuell einen Trend, dass die digitale Gesellschaft eine Pause von der Technik braucht, immer mehr Menschen klinken sich zumindest zeitweise aus der digitalen Welt aus, sie suchen Ruhe und Erholung in der Natur. Und das führt mich zum Thema der digitalen Kluft („Digital Divide“), die direkt mit der sozialen Gerechtigkeit zusammenhängt. Wir müssen auch jener Gruppe von Erholungssuchenden, die keinen Zugang zu digitalen Geräten hat bzw. deren Nutzung verweigert – und daher nicht in unseren digitalen Systemen abgebildet wird –, Aufmerksamkeit schenken. Als Wissenschaftler*innen müssen wir uns immer die kritische Frage stellen: Bilden die Daten, die wir gesammelt haben, auch die Realität ab? Der Abgleich zwischen der virtuellen und realen Welt ist also besonders wichtig, um solide Schlüsse für das Besuchermanagement zu ziehen.

Und auch den „digitalen Aussteiger*innen“ sollten wir etwas anbieten können. Das „Offline-Sein“ hat auch eine Qualität, die immer mehr Menschen schätzen – und das sollten Naturgebiete bzw. Destinationen auch als Qualitätsmerkmal wahrnehmen und kommunizieren. Ich plädiere dafür, Technologie nicht invasiv einzusetzen und nicht überall um jeden Preis aufzudrängen.

 

Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Karolina Taczanowska forscht an der Universität für Bodenkultur u.a. in den Bereichen nachhaltiger Tourismus und Erholungsplanung, Besucherlenkung und Smart Tourism. Aktuell setzt sie sich mit den Fragestellungen auseinander, wie die Bedürfnisse einer digitalen Gesellschaft in Einklang mit der Natur gebracht werden können sowie wie Naturgebiete vom technologischen Fortschritt im Bereich Destinations- und Besucher*innen-Management profitieren können. Karolina Taczanowska ist Autorin mehrerer wissenschaftlicher Publikationen, hält Fachvorträge und erstellt Expertisen im Alpenraum, in den Karpaten sowie in sub-urbanen Waldgebieten in Österreich und Zentraleuropa.

 


 

 

AnkerAnkerDen „Digital Gap“ zur Lösung des Fachkräftemangels überbrücken

 

Von HARALD A. FRIEDL, FH JOANNEUM Bad Gleichenberg

Hannah Wasserfaller
© FH JOANNEUM/Hannah Wasserfaller


 
Die Digitalisierung rast mit Riesenschritten auf Menschen in ländlichen Regionen zu, wo besonders große Potenziale für touristische Entwicklung wie auch für die Rekrutierung von Mitarbeiter*innen liegen. Die Fähigkeiten im Umgang mit elektronischen Helferlein sind hier jedoch häufig unterentwickelt. Maßnahmen zur Überbrückung dieses „Digital-Gaps“ entwickelt derzeit ein Projekt des Thermen- & Vulkanlandes gemeinsam mit der FH JOANNEUM: durch Entwicklung eines inspirierenden und qualifizierenden, offen zugänglichen Kurses im Internet.

Selten ergibt sich ein einer Tourismusdestination der Fall, dass die Nachfrage floriert und gleichzeitig ausreichend Fachkräfte vorhanden sind. In dieser glücklichen Lage sieht sich das „Thermen- und Vulkanland“ in der Südoststeiermark. Doch über ausreichend touristische Mitarbeiter*nnen zu verfügen, die fürs Tagesgeschäft qualifiziert sind, ist eine Sache. Wie all diese MitarbeiterInnen lernen können, mit neuen digitalen Herausforderungen produktiv umzugehen – und dies binnen kürzester Zeit und möglichst effektiv – ist … eine Herausforderung.

Digitalisierung schwappt wie eine Sturmflut über Tourismusdestinationen. Methoden, wie die Erweiterung klassischer Werbung auf Social-Media-Marketing oder die Integration diverser Plattformen in Buchungssysteme, entwickeln sich in hohem Tempo, ohne Rücksicht auf bisherige Kulturen und Gewohnheiten in Tourismusbüros oder Hotellobbys. Dies wirft für viele touristische Betriebe massive Probleme auf und produziert in den Teams ungesunden Stress.

Gezielte Weiterbildung gilt als zentrales Instrument, um die im Tourismus Tätigen auf allen Ebenen wieder zu ermächtigen, um im Alltagsgeschäft gute Arbeit zu leisten und gleichzeitig mit den technischen Veränderungen Schritt zu halten. Hier setzt die FH JOANNEUM mit zwei großen Projekten in der Steiermark wesentliche Schritte.

Digital Literacy im steirischen Tourismus – Digi-T

Im Pilotprojekt „Digi-T“ beleuchteten Mitarbeiter*innen des Instituts für Gesundheits- und Tourismusmanagement der FH JOANNEUM gemeinsam mit dem Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz unter der Leitung von Mag. (FH) Dr. Daniel Binder (FH JOANNEUM) die Frage, über welche relevanten zukünftigen Anforderungen an digitale Kompetenzen jemand verfügen müsse, der/die im steirischen Tourismus tätig sei. Dazu wurden in einem umfassenden Erhebungsprozess in Tourismusbetrieben Gästeerwartungen analysiert und verglichen. Dass dazu digitale Instrumente verwendet wurden, war nicht deren Praktikabilität geschuldet. Die Vorgehensweise orientierte sich stark am Konzept der Customer Journey. Zudem wurde auch untersucht, welche digitalen Kompetenzen schon bisher im Rahmen existierender touristischer Bildungsangebote in der Steiermark vermittelt würden. Als Ergebnis lieferte dieses Projekt Handlungsempfehlungen mit kompetenzorientierten Lehr- und Lernansätzen, die im digitalen Booklet „Digitale Bildung im Tourismus“ zusammengefasst wurden

Download: https://cdn.fh-joanneum.at/media/2020/02/FH-JOANNEUM_UserNeeds-and-Tourism-Challenges_E-booklet_v1.0.pdf. Finanziert wurde das Projekt vom Zukunftsfonds Steiermark und dem Land Steiermark.

Fotografieren
© Harald A. Friedl

 

MOOC4tourism – Digitale Bildung im steirischen Tourismus

Während viele Projekte im Empfehlungsstadium stehen bleiben, werden derzeit diese Erhebungsgrundlagen in einem Folgeprojekt der FH JOANNEUM aufgegriffen. Auf dieser Basis sowie unter Berücksichtigung des digitalen Kompetenzmodells für Österreich, „DigComp 2.2 AT“ (https://www.bmaw.gv.at/dam/jcr:54bbe103-7164-494e-bb30-cd152d9e9b33/DigComp2.2_V33-barrierefrei.pdf), werden gegenwärtig konkrete Kurse für Arbeitnehmer*innen in touristischen Betrieben entwickelt. Dazu wird – wiederum unter der Leitung von Dr. Daniel Binder – ein Bildungsangebot in Gestalt eines MOOC, eines „Massive Open Online Courses“, entwickelt.

Das Besondere daran ist, dass das Zielpublikum dieser Kurse an deren inhaltlicher Gestaltung mitwirkt. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass dieses Bildungsangebot sowohl inhaltlich wie auch didaktisch den Bedürfnissen der Adressat*innen bestmöglich entspricht.

Der Pilotkurs dieses MOOCs wird mit Mitarbeiter*innen in der Erlebnisregion Thermen- und Vulkanland Steiermark durchgeführt und daraufhin evaluiert werden. Daraus sollen in weiterer Folge Optimierungsempfehlungen für zukünftige Bildungsangebote im Bereich der digitalen Kompetenzvermittlung abgeleitet werden. Finanziert wird dieses Projekt durch den AK Steiermark Projektfonds Arbeit 4.0 sowie durch die Erlebnisregion Thermen- & Vulkanland.

Daniel Binder
Projektleiter Mag. (FH) Dr. Daniel Binder (© FH JOANNEUM)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

AnkerPer App zu nachhaltiger Tourismusentwicklung in Georgien

Von HARALD A. FRIEDL, FH JOANNEUM Bad Gleichenberg

Wie können abgelegene, kapitalschwache Regionen mit hohem kulturtouristischem Potenzial bei geringen digitalen Kompetenzen dennoch am westlichen Tourismusmarkt partizipieren? Die Idee von einem kulturtouristischen Web- und App-Guide mit integrierter Buchungsfunktion des Kunsthistorikers und digitalen Pioniers, Gerhard Sindelar, führte von einer Machbarkeitsstudie der FH JOANNEUM gemeinsam mit der Van der Bellen Int. Business & Tourismusberatung über den Aufbau von digitalen Fortbildungszentren in der attraktiven südgeorgischen Provinz Samtskhe-Javakheti zu 75 jungen, hochqualifizierten Georgier*innen und dreisprachigen App-Guides …

© Florian Van Der Bellen
© Florian Van Der Bellen


„Es war einmal …“

ist der klassische Beginn eines Märchens, in der ein Held auszieht, um einen Drachen zu besiegen und die Prinzessin zu retten. Zur Bewältigung seiner Aufgabe schmiedet der Held ein Schwert mit Zauberkräften. Auf seinem Weg zum Drachen verbündet er sich mit hilfreichen Gefährten und findet einen Schatz. Gemeinsam bezwingen sie den Drachen mit dem Zauberschwert, befreien die Prinzessin und verwandeln das Land mit dem Schatz in ein blühendes Königreich.

… ein Kunsthistoriker, der …

Held dieser Geschichte ist der Kunsthistoriker Gerhard Sindelar, der über ein Problem grübelte: die Frage, wie Kunst im Tourismus sinnvoll zu vermitteln sei. Denn Kunst ist in ihrer Vielfalt überwältigend, und hinter jedem Gemälde verbergen sich komplexe persönliche und historische Zusammenhänge, deren Kenntnis eine Darstellung erst „lesbar“ macht. Individualreisende aber haben weder Zeit noch Geduld und zumeist auch keine hinreichenden Kenntnisse dafür. Wie können sie darum in ihrer knappen Zeit die „richtigen“ Objekte wählen und diese dann „richtig lesen“, um sie auch als „authentisches Erlebnis“ genießen zu können? Früher erfüllten diese Aufgabe Reiseführer in Buchform, in Zeiten der Digitalisierung jedoch eine bedrohte Spezies …

Sindelar
Der Kunsthistoriker und Beyondarts-Gründer Gerhard Sindelar (© Gerhard Sindelar)


 
… ein Zauberschwert schmiedet …

Wie lassen sich papierene Guides zeitgemäß digitalisieren, um eilige Tourist*innen zu erreichen und zu inspirieren? Zur Überwindung dieser Quadratur des Kreises gründete Sindelar die Beyondarts GesmbH (https://beyondarts.at/) und entwickelte kultur-touristische Guides, die sowohl online als auch über native Apps verfügbar sind: Diese präsentieren jeweils eine spezielle Region wie Dürnstein-Wachau (https://beyondarts.at/app/wachau/das-weltkulturerbe-wachau/), einen Ort wie Hallstatt (https://beyondarts.at/guides/weltkulturerbe-hallstatt/), ein Kulturgut wie den Wiener Stephansdom (https://beyondarts.at/guides/stephansdom/) oder ein Museum wie das Kunsthistorische Museum in Wien (https://beyondarts.at/guides/kunsthistorisches-museum-wien/). In der App werden ausgewogene Portraits der Objekte mittels Bildern, Videos, Karten und auch VR-Elementen vermittelt. Die erläuternden Texte sind sowohl lesbar wie auch hörbar, und dies in mehreren Sprachen.

beyond arts
Beyond Arts Website (Quelle: https://beyondarts.at/)



… und von einer Prinzessin hört, die …

Im Jahr 2019 stieß Gerhard Sindelar auf die reichen Kulturschätze von Georgien. Jenes Land im Osten des Schwarzen Meeres beherbergte einer griechischen Sage nach das „Goldene Vlies“, bewacht von einem Drachen und schließlich geraubt vom Griechischen Helden Jason. Da zwischen Russland, Westasien und Osteuropa gelegen, hatte Georgien eine Vielfalt an kulturellen Entwicklungen durchlaufen und entsprechend beeindruckende kulturelle Zeugnisse zu bieten: malerische Klöster, mächtige Burgen, erstaunliche Höhlen, bewegende Landschaften. Wie für periphere Regionen typisch, liegen viele der besonders interessanten Destinationen Georgiens abseits der touristischen Hotspots, wirken gleichsam wie ein touristisches Dornröschen, das nur darauf wartet, von einem Prinzen wachgeküsst zu werden …

© Florian Van Der Bellen
Landstrich in Georgien mit Festung Atskuri (© Florian Van Der Bellen)


 
… von einem Drachen bewacht wird.

Dieser Schlummer von solchen peripheren Regionen wirkt tragischerweise ganzheitlich. Denn die touristischen Hotspots wie Georgiens Hauptstand Tiflis oder die Weinregion Kachetsien vereinen nicht nur Bekanntheit und damit touristische Nachfrage auf sich. Damit zusammen hängen auch wirtschaftliche Dynamik sowie Investitionsmittel für Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung der Bewohner*innen, aber auch für weiterführendes Marketing im globalen Wettbewerb um Aufmerksamkeit … Wie lässt sich ein solcher Teufelskreis durchbrechen, um in solchen benachteiligten Regionen deren Schätze touristisch in Wert zu setzen und dabei nachhaltige Tourismusentwicklung anzustoßen?

Zu ihm stoßen Gefährten, die gemeinsam einen Schatz finden …

Beyondarts präsentierte 2019 in Georgien sein innovatives Lösungskonzept für kultur-touristische Web- und App-Guides als Beitrag für die touristische Erschließung von abgelegenen Regionen. Dabei fiel die Wahl auf die südgeorgische Provinz Samtskhe-Javakheti. Nun erstand die Idee für ein umfassendes Entwicklungsprojekt mit dem Ziel, sowohl die Kulturschätze wie auch die touristische Infrastruktur der Region zu erfassen, aber auch regionale Kompetenzzentren für digitales Marketing aufzubauen, um Menschen vor Ort für die Wartung dieser Guides zu qualifizieren. Dafür benötigt es starke Partner:
Die Van Der Bellen Business & Tourismus Consulting führte gemeinsam mit der FH JOANNEUM 2019 eine Machbarkeitsstudie in der Region Samtskhe-Javakheti durch. Diese wurde zur Grundlage für ein umfassendes Entwicklungsprojekt, das in einer Zusammenarbeit zwischen Beyondarts, der Austrian Development Agency (ADA) in Wien und World Vision Austria bis 2022 umgesetzt wurde.

© Florian Van Der Bellen
Florian Van Der Bellen besucht während seiner Pilotstudie einen georgischen Bierbrauer (© Florian Van Der Bellen)
 


 … und die Prinzessin wachküssen …

Trotz massiver Covid-Hindernisse konnten als Ergebnis sechs dreisprachige App-Guides entwickelt werden (https://beyondarts.at/app/georgia.samtskhe-javakheti/), die lokalen Betrieben eine Plattform für deren digitalen Auftritt mit direkter Kontaktmöglichkeit – „beyond“ der provisionshungrigen Buchungsplattformen – bieten (https://beyondarts.at/app/georgia.samtskhe-javakheti/hotels-and-restaurants/). Die gesamte Region wird durch dieses Instrument kostengünstig cross-medial sichtbar.

… und den Schatz verteilen …

Um diesen Effekt nachhaltig weiterentwickeln zu können, wurden 75 jungen Georgier*innen von World Vision Georgia in sog. „SKY Clubs in den Bereichen Management, Digitalisierung und Datenerfassung qualifiziert. Viele der Absolvent*innen fanden im Anschluss neue Arbeitsmöglichkeiten, denn die Entwicklungen des Beyondarts-Tool gehen unaufhörlich weiter, die Guides müssen somit fachkundig gewartet, neue Betriebe eingepflegt, Links aktualisiert werden. Zudem erlaubt die neue Version der App selbstverständlich auch das Teilen von Inhalten mit Social-Media-Freund*innen: Georgiens Gäste wollen schließlich mitteilen, welche Schätze sie entdeckt haben – und genau das will auch die Region Samtskhe-Javakheti, um ihre Bekanntheit zu steigern …

© Gerhard Sindelar
Die georgische Botschafterin in Österreich, Ketevan Tsikhelashvili, anlässlich der Beyondarts-Projektpräsentation in Wien (© Gerhard Sindelar)