Infomail Wissenschaft Nr. 11 (Mai 2023)

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INHALT

Auf der Suche nach den richtigen Worten: interkulturell informierte Kommunikation als Basis für einen globalen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit (Kerstin Kaufmann) ---> zum Beitrag

Abfallvermeidung – ein Luxus in der Luxushotellerie? (Natascha Dockal) ---> zum Beitrag

Vermeidung von Lebensmittelabfällen in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung (Daniela Grach) ---> zum Beitrag

Müll in der Natur – Ursachen & Strategien dagegen (Cornelia Kühhas & Kim Ressar) ---> zum Beitrag

Berge von festen Abfällen in der Everest-Region: Ist der Trekkingtourismus wirklich nachhaltig? (Sitaram Dahal) ---> zum Beitrag

Von Müllbergen zu Zero Waste: große Ambitionen für ein kleines japanisches Bergdorf (Vera Thaler) ---> zum Beitrag auf der Seite von fairunterwegs

Touristische Clean-ups – Umweltaktionismus oder Ausrede? (Vera Thaler) ---> zum Beitrag auf der Seite von fairunterwegs

Abfall-Management in und um Ugandas Nationalparks: komplexe Regeln, praktische Probleme, einfache Lösungen (Ahimbisibwe Colleb, Jimmy Ogwang & Harald A. Friedl) ---> zum Beitrag

Die jüngsten Krisen und ihre Auswirkungen auf die Umweltleistung im Tourismus- und Gastgewerbesektor in Sri Lanka (Hiran Dinusha und Chandimal Ranathunga)  ---> zum Beitrag

Abfall vermeiden: 8 Tipps für deine nächste Reise (Sabrina Haase) ---> zum Beitrag auf der Seite von fairunterwegs

Gehört der Abfall zum Tourismus wie die kurzen Hosen? Diskurs zwischen Cornelia Kühhas, Harald A. Friedl und Jon Andrea Florin ---> zum Diskurs

 


 

AnkerAnkerAnkerAnkerAuf der Suche nach den richtigen Worten: interkulturell informierte Kommunikation als Basis für einen globalen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit

Von KERSTIN KAUFMANN

Kerstin Kufmann
Die Autorin beim Unterricht der einheimischen Mitarbeiter*innen (Foto: Kerstin Kaufmann)

In Thailands Luxushotellerie an abgelegenen „Traumorten“ ist das Abfallaufkommen eine zentrale Herausforderung. Die Bemühungen um eine moderne, nachhaltigere Abfallwirtschaft stoßen dabei auf kulturelle, kommunikative Barrieren zwischen dem westlich orientierten Management und dem aus regionalen Dörfern stammenden Personal. Die Untersuchung einer Studentin der FH JOANNEUM zeigt, dass erfolgreiches Abfallmanagement wesentlich davon abhängt, die Kommunikationskultur der ausführenden Personen zu berücksichtigen. Aus Sicht der Autorin können globale Bedrohungen – wie die Verschmutzung der Meere durch touristische Abfälle – nur als Gemeinschaft mit einer aufeinander abgestimmten Zielsetzung bewältigt werden.

„In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten.“ (Albert Einstein) Wo sich Gesellschaft wandelt, wo Tourismus entsteht und Infrastruktur sich entwickelt, entsteht neben Wachstum und Potenzial immer auch Abfall. Gerade in Schwellenländern wie Thailand stellt das Müllproblem und die daraus folgende „Vermüllung“ der Meere ein gravierendes Problem dar. Thailands Regierung hatte 2019 eine „Roadmap on Plastic Waste Management“ angekündigt, die u.a. die vollständige Trennung des Haushalts-Plastikmülls bis 2030 und eine drastische Verringerung des Imports von Plastikmüll bis 2025 vorsieht. Für die Umsetzung aber fehlt es laut Umweltschutzorganisationen an konkreten Maßnahmen (Balser, 2023).

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Luxusressort in Thailand (Foto: Kerstin Kaufmann)

 

Um das Abfall-Problem anzugehen, haben sich einige Tourismusbetriebe schon vor Jahren das noble Ziel einer nachhaltigeren Abfallwirtschaft gesetzt, mit den zentralen Punkten der Müllvermeidung und -trennung als Beitrag zu nachhaltigerem Tourismus, zu sauberen Meeren und zum Schutz einer florierenden Vegetation im Dschungel. Um dazu auf interkultureller Ebene vom Wollen ins Tun zu kommen, ist es unabdinglich, die eigene Perspektive immer wieder zu hinterfragen und sich auf die Sichtweise aller beteiligten, kulturell und sozioökonomisch verschieden geprägten Personen ernsthaft einzulassen. Wie die Untersuchung der Autorin zeigte, hängt der Erfolg von geplanten Interventionen auch von davon ab, wie sie kommuniziert werden:

Wie eine gelungene, interkulturell informierte Kommunikationsbasis als Brücke vom Wollen ins Tun führen kann, hat die Autorin in ihrer Bachelorarbeit zum Thema Mülltrennung im Tourismus erforscht. Anhand ihres Beispiels eines namhaften Luxushotel-Betriebs auf der thailändischen Insel Koh Kut hat sie die Effekte der Berücksichtigung von kulturell angeeigneten Werten in die Kommunikation zwischen einer westlichen Management-Ebene und dem thailändischen, ausführenden Personal untersucht.

Die Autorin und ihre thailändischen Kolleginnen
Die Autorin und ihre thailändischen Kolleginnen (Foto: Kerstin Kaufmann)

Große Ziele zu stecken ist im Umweltschutz erfreulich – unter der Voraussetzung einer erfolgreichen Umsetzung mit positiven Auswirkungen in der Praxis. Doch genau hier „liegt der Hund begraben“. Wie Kaufmanns Untersuchung nachweisen konnte, erfordert eine verständliche Vermittlung von sinnvollen und gewinnbringenden Lösungen eine für kulturelle Werteunterschiede sensibilisierte Kommunikation. Dies sei die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die notwendigen Schritte wie die korrekte Trennung des Abfalls vom regionalen Personal auch entsprechend und dauerhaft umgesetzt werden können (Kaufmann, 2016). Sich aufeinander einzulassen, verstehen zu wollen und die Notwendigkeit von Umweltmaßnahmen, wie eines geregelten Abfallmanagements, kulturell angepasst zu vermitteln, scheinen in der interkulturellen Zusammenarbeit zentrale Meilensteine am Weg zu einer spürbaren Veränderung in Richtung eines umweltschonenden Verhaltens zu sein.

Verantwortliche in der Management-Ebene müssen darum lernen genau hinzuschauen, die Vermittlung von Zielen am Verständnishorizont der indigenen Arbeitskräfte zu orientieren und auf die örtlich gängigen Wertvorstellungen und Denkweisen abzustimmen: wie die verschiedenen Instrumente eines Orchesters vor einem Konzerts aufeinander, auf das Raumklima und die Akustik der Umgebung abgestimmt werden, um ein harmonisches und „stimmiges“ Miteinander zu ermöglichen.

Das interkulturelle Team für die Abfallbeseitigung
Das interkulturelle Team für die Abfallbeseitigung (Foto: Kerstin Kaufmann)

Wo Kulturen mit verschiedenen Wertesystemen, gesellschaftlichen Prägungen und „Normalitäten“ aufeinandertreffen, muss Perspektivenwechsel zur alltäglichen Praxis werden. Denn nur als Gemeinschaft mit aufeinander abgestimmter, für alle nachvollziehbarer und darum als sinnvoll empfundener Zielsetzung ist es uns möglich, gemeinsam globale Bedrohungen wie die Verschmutzung der Wälder und Meere in den Griff zu bekommen.

Die Hotel-Crew reinigt den Strand von angeschwemmtem Abfall
Die Hotel-Crew reinigt den Strand von angeschwemmtem Abfall (Foto: Kerstin Kaufmann)

Wir dürfen uns nicht länger einreden, dass wir die Probleme der modernen Welt mit den gleichen Denkweisen lösen können, durch die wir sie erzeugt haben, um abschließend erneut Albert Einstein zu zitieren. In dieser Welt der noch nie dagewesenen Möglichkeiten zu Kommunikation, Vernetzung und Datenerfassung ist es an der Zeit, diese Möglichkeiten auf konstruktive Art und Weise zu nutzen und zu einer globalen Gemeinschaft voranzuschreiten. Diese muss Unterschiede anerkennen, würdigen und schätzen, indem sie aufeinander eingeht und verständnisvoll miteinander durch lösungsorientiertes Handeln eine produktive, nachhaltigere Zukunft möglich macht (Schmachtenberger, 2016).
 

Die Autorin:

Kerstin Kaufmann

 

 

 

 

 

 

 

KERSTIN KAUFMANN, BA, absolvierte 2017 den Studiengang „Gesundheitsmanagement im Tourismus“ der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg. Die Autorin ist zertifizierte Yoga- und Meditations-Lehrerin im von ihr gegründeten Yoga-Studio „Beyondmorrow“ in Feldbach, Südoststeiermark.
 

Quellen:
Balser, S. (2023). Thailand will ab 2025 kaum noch Plastikmüll importieren. https://www.watson.de/nachhaltigkeit/gute%20nachricht/745729047-gute-nachrichten-thailand-will-ab-2025-kaum-noch-plastikmuell-importieren

Kaufmann, K. (2016). Interkulturelle Kommunikation als Mittel zum Schutz der Umwelt. Analyse des interkulturellen Abfallmanagements am Beispiel des Soneva Kiri Resorts auf der Insel Koh Kood, Thailand. Bachelor-Arbeit am Studiengang „Gesundheitsmanagement im Tourismus“, FH JOANNEUM, Bad Gleichenberg.

Schmachtenberger, D. (2016). Daniel Schmachtenberger’s talk at Emergence. https://www.youtube.com/watch?v=eh7qvXfGQho&pp=ygUcZGFuaWVsIHNjaG1hY2h0ZW5iZXJnZXIgbG92ZQ%3D%3D&ab_channel=JohnB

 


 

AnkerAnkerAnkerAnkerAbfallvermeidung – ein Luxus in der Luxushotellerie?

Von NATASCHA DOCKAL

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Foto: Natascha Dockal


 
In der heutigen Zeit werden die Reduktion von Abfall und die Minimierung der Verschwendung von Ressourcen immer wichtiger, auch in der Luxushotellerie, wo dies zunächst als starker Widerspruch erscheint. Bei genauerer Betrachtung ist dies jedoch ein sinnvolles Vorhaben: als notwendiger Beitrag zum Umweltschutz, als ökonomischer Gewinn und als Stärkung der Betriebsreputation.

Nachhaltigkeit wird sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft diskutiert, und Österreich hat sich internationalen Klimaabkommen verpflichtet. Auch scheinen der Wunsch der Gäste und Konsument:innen nach mehr Nachhaltigkeitsengagement im Alltag wie auf Reisen stärker zu werden. Dennoch sind noch viele Schwachstellen bemerkbar. In ihrer Masterarbeit hat Natascha Dockal untersucht, wie das Österreichische Umweltzeichen in der Luxushotellerie gewinnunterstützend gesehen werden kann. Dazu führte sie eine Qualitäts- und Potenzialanalyse des A-ROSA Resorts in Kitzbühel durch und erweckte dabei unter den Entscheidungsträger:innen des Hotels Interesse an dieser Nachhaltigkeitszertifizierung.

Beim Gedanken an das Thema Abfall im Kontext der einzelnen Bereiche eines Hotels wird bewusst, dass dieses Thema ein stetiger Begleiter ist. Damit ist Abfall eine vielversprechende Stellschraube, um einen Beitrag zur Nachhaltigkeit eines Betriebs zu leisten.

Das Österreichische Umweltzeichen verlangt von einem Betrieb ein schriftliches Abfallwirtschaftskonzept, das regelmäßig zu kontrollieren und zu aktualisieren ist. Dabei ist auf die einzelnen Abteilungen und die jeweiligen Maßnahmen einzugehen, aber auch auf generelle Gepflogenheiten des Unternehmens. So wird etwas verlangt, dass in den Toiletten Abfallbehälter mit Hinweisen bereitzustellen sind, dass Abfall über diesen Behälter anstatt über die Toilette zu entsorgen seien. Generell soll es den Gästen erleichtert werden, den Müll zu trennen, insbesondere dann, wenn in den Zimmern keine Trennung vorgesehen ist. Dazu sollen etwa Getränke möglichst in Mehrweggebinden anstatt in Dosen angeschafft werden. Auch auf Verpackungen in Portionsgröße ist zu verzichten. Weitestgehend im Betrieb zu vermeiden ist Lebensmittelabfall (Kreuzpointner & Fichtl, 2018).

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Abfalltrennsystem (Foto: Natscha Dockal)

Abfallentsorgung stellt auch deshalb eine wichtige Stellschraube für Nachhaltigkeit dar, weil Restmüll die teuerste Abfallsorte ist. Durch mangelnde fachgerechte Trennung fällt jedoch gerade davon am meisten an. Auch im F&B-Bereich lässt sich sehr viel (Lebensmittel-)Abfall vermeiden: Im Jahr 2020 wurden im Rahmen eines Schweizer Start-ups Lebensmittelabfälle nach Gericht und Gewicht dokumentiert, um herauszufinden, wo und warum Lebensmittelabfall entsteht. Hierbei wurde schmerzlich bewusst, wie wenig Skrupel manche Menschen beim Verschwenden von Lebensmitteln hegen: Massenkonsum und Luxus im Überfluss … Dabei geht es weniger ums Verzichten als vielmehr um die Vermeidung von Verschwendung, indem das Bewusstsein für diese Thematik geschärft und eine Kultur des achtsamen Umgangs mit Lebensmittel gefördert werde.

Was kann nun ein Luxushotel zur Abfallvermeidung unternehmen? Bereits beim Einkauf sollten Mehrweggebinde und Großverpackungen bevorzugt werden. In den Gästezimmern wie auch im SPA-Bereich sollten nachfüllbare Verpackungen bevorzugt werden. Unbenutztes, aber Brauchbares kann an Mitarbeiter:innen weitergegeben werden. Mülltrennstationen in den Gängen, verbunden mit entsprechenden Einladungen an Gäste motiviert zur Mithilfe. Apropos Mithilfe der Gäste beim Nachhaltigkeitsengagement: Mittlerweile sind einige Unternehmen wie die arcotel Hotels oder das cocoon in Salzburg von der täglichen Zimmerreinigung abgegangen und bieten diesen Service nur noch auf Nachfrage an. Das spart nicht nur Personalkosten, sondern auch Ressourcen. Großes Abfallreduktionspotenzial besteht auch im Bürobereich: digitale Rechnungen, Flyer nur auf Nachfrage, Reduktion des papierenen Postverkehrs sind hier nur einige Möglichkeiten.

Zusammenfassend lassen sich auch in Luxushotels zahlreiche Möglichkeiten zur Abfallvermeidung und -reduktion identifizieren, wenn man mit offenen Augen und einem Bewusstsein für Umweltschutz durch ein solches Unternehmen geht – und dies ohne hohe technische oder finanzielle Hürden für Umstellungen. Im Gegenteil: Das Abfallsegment ist gerade im Hinblick auf Kosteneinsparungen besonders attraktiv. Entscheidend für den Erfolg ist hier auch das Kommittent aller Beteiligten und das konkrete individuelle Engagement. Denn die Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen gelingt nur im Einklang von Hotelmanagement, Mitarbeiter:innen, Gästen und Lieferant:innen. Denn wie schon Mahatma Gandhi sagte: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“

 

Die Autorin:

Dockal
Foto: Melanie Löffler

 

 

 

 

 

 

 

NATASCHA DOCKAL, MA, ist Absolventin der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg. Nach ihrer Tätigkeit als HR & Leadership Consultant machte sie sich mit wertorientiertem Change-Management in der Tourismusbranche selbstständig. Mit ihrem Unternehmen „creartive“ unterstützt sie Arbeitgeber:innen im Tourismus dabei, sich mit Wertschätzung, Anerkennung und Einzigartigkeit attraktiv zu positionieren. Die Themen Mindset und Bewusstsein begleiten sie bereits seit der Masterarbeit und sind nunmehr auch in ihrem Unternehmen tief verankert.

Quelle:
Kreuzpointner, E. & Fichtl, O. (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt und Energie, Hrsg.). (2018). Richtlinie UZ 200 - Tourismus und Freizeitwirtschaft. Verfügbar unter: https://www.umweltzeichen.at/de/f%C3%BCr-interessierte/richtlinien/

 


 

AnkerAnkerAnkerAnkerVermeidung von Lebensmittelabfällen in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung

Von DANIELA GRACH

Lebensmittel
Foto: Wolfgang Hummer (www.wolfganghummer.com)


In Österreich werden rund 175.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle in der Gemeinschaftsverpflegung, Gastronomie und Hotellerie pro Jahr entsorgt.

Lebensmittel sind wertvoll, dennoch landen davon täglich große Mengen im Müll. Ökologisch nachhaltig zu essen bedeutet auch, die Verschwendung von Lebensmittel zu vermeiden, da ihre Herstellung, der Transport, ihre Lagerung und Kühlung Ressourcen (Energie, Wasser, Landflächen u.a.) verbrauchen sowie zur Entstehung von Emissionen beitragen. Lebensmittelabfälle zu reduzieren ist eine dringende, globale und vielschichtige Herausforderung.

Der in österreichischen Großküchen entsorgte Lebensmittelabfall (ohne Zubereitungsreste) macht ca. 22 Prozent der ausgegebenen Essensmenge aus. Das entspricht dem Gewicht von 2.350 voll beladenen Müllsammelfahrzeugen pro Jahr. Lebensmittelabfälle im Warenwert von rund 320 Millionen Euro sind österreichischen Betriebskantinen, Gesundheitseinrichtungen, Hotels und Restaurants zuzuordnen.
Abfälle wie nicht aufgegessene Gerichte, unangetastete Beilagen oder nicht ausgegebene Speisen und die damit verbundenen Kosten und Umweltwirkungen wären vermeidbar.

Salatbuffet an der FH Joanneum
Salatbuffet an der FH JOANNEUM (Foto: Harald A. Friedl)

Häufige Ursachen von Lebensmittelabfällen in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung sind:

  • Überproduktion,
  • nicht bedarfsgerechtes Vorratsmanagement,
  • falsche Lagerung,
  • Transportschäden in der Außer-Haus-Verpflegung,
  • nicht bedarfsgerechte Einkaufs- und Speiseplanung,
  • fehlendes Monitoring der Überschüsse und Tellerreste
  • sowie rechtliche Aspekte (z. B. Hygieneanforderungen).

Bei der Weitergabe von Lebensmitteln und Speisen sind rechtliche und logistische Aspekte zu beachten, die vielfach zu Unsicherheiten und Hürden führen.

Die österreichische Bundesregierung bekräftigt die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, welche in ihrem Ziel 12.3 die Halbierung der Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf bis zum Jahr 2030 vorschreibt, dies auch im Sektor Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. Wesentlich für die Erarbeitung konkreter Lösungen ist die Kooperation mit heimischen Akteur:innen und Arbeitsgruppen. Das Aktionsprogramm „Lebensmittel sind kostbar!“ wurde 2013 durch das Umweltministerium in enger Kooperation mit der Wirtschaft, Konsument:innen, Gebietskörperschaften und sozialen Einrichtungen erarbeitet und 2019 aktualisiert.

Die Abfallrahmenrichtlinie der EU verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Durchführung und Überwachung von Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen. Prozesse im Unternehmen müssen systematisch betrachtet werden, um Ursachen für Lebensmittelverluste zu erkennen, an welchen Stellen Abfallmengen anfallen und welche Ursachen zur Lebensmittelverschwendung führen. Wichtige Schnittstellen sind Lieferant:innen, Großküche und Abnehmer:innen (z.B. Schule) bzw. Kund:innen. Der Austausch mit anderen Unternehmen in der Gastronomie kann bei der Entwicklung von Lösungen und Maßnahmen unterstützend sein.

Strategie einer Uni-Kantine gegen Lebensmittelverschwendung
Strategie einer Uni-Kantine gegen Lebensmittelverschwendung (Foto: Harald A.Friedl)


 
Ursachen und Lösungen für Lebensmittelabfälle in der Gastronomie und Großküche

 

URSACHEN LÖSUNGSANSÄTZE

hohe Rücklaufquote aufgrund eines nicht saisonalen Angebots (z.B. fettreiche Speisen an heißen Sommertagen)

saisonale Speisen anbieten (z.B. leichte Gerichte an Sommertagen), saisonale Speisepläne
Zubereitungsmengen weichen vom Produktionsplan ab Standardisierung von Produktionsmengen und Rezepten
kalkulierte Portionsgrößen weichen von Ausgabemengen ab (z.B. zu kleine Portionen) Kalkulierte Portionsmenge an Ausgabemenge anpassen, Mitarbeiter:innen schulen (z.B. Fotos, Kellenplan …)
verschiedene Gruppen an Kund:innen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senior:innen …) Angebot verschiedener Portionsgrößen
Überschuss wird produziert (zur „Sicherheit“, da bei Ausgabe von Speisen der Zubereitungsprozess bereits abgeschlossen)  Produktionsabläufe optimieren, sodass kurzfristig bedarfsorientiert nachproduziert werden kann
Buffet ist über den gesamten Ausgabezeitraum voll bestückt mehrfache und damit geringere Bestückung der Buffetauslage; bei mehreren Buffet-Ausgaben gegen Ende der Ausgabe auf eine Ausgabe reduzieren
 Speiserücklauf (Tellerreste) aufgrund zu großer Portionen Portionsgrößen anpassen; Kund:innen über Einpackmöglichkeiten informieren; Kund:innen über Nachschlagmöglichkeit informieren
Speiserücklauf aufgrund von Buffetsystem Bsp. Frühstücks-Buffet: kleine Einzel-Portionen vorab anrichten (z.B. in kleinen Gläsern und auf kleinen Tellern), Portionen können bedarfsgerecht nachgereicht werden
Speiserückläufe werden nicht dokumentiert und nicht kommuniziert Regelmäßige Dokumentation von Rückläufen; Austausch von unbeliebten Gerichten; Anpassung von Rezepturen und Portionsgrößen
Überschüsse werden entsorgt Überschuss am nächsten Tag weiter verwerten (z.B. Buffet, in Speisen); kreative Rezepte generieren (z.B. für altbackenes Brot); Weitergabe an soziale Einrichtungen; Reste (z.B. Catering, Mittagessen) können in „Boxen“ mit nach Hause genommen werden (z.B. Projekte „Tafel Boxen“, Wien und „Genuss Boxen“, Tirol und Vorarlberg)


 
Wesentlich ist die Schulung der Mitarbeiter:innen, um Wissen, Erfahrungen, Fertigkeiten und Kenntnisse zum Thema zu vermitteln. Praxisnahe Informationen müssen schnell und unkompliziert in der täglichen Arbeit umgesetzt werden können. Schon kleine Maßnahmen zeigen sicht- und messbare Erfolge. In einem Projekt konnte allein durch die Sensibilisierung der Mitarbeiter:innen die Reduktion der Abfallmenge um 15 Prozent in einem Jahr erreicht werden (z. B. Thematisierung in Teamsitzungen). Wichtig für eine Verringerung der Lebensmittelverschwendung ist auch eine Sensibilisierung der Kund:innen um das Verständnis sowie die Akzeptanz für Maßnahmen zur Verringerung von Lebensmittelabfällen zu steigern.

Es gibt ein breites Angebot an Unterstützung für Betriebe durch Organisationen und Initiativen. Beispielsweise bietet "United Against Waste" Küchenbetrieben ein umfangreiches gefördertes Informations- und Serviceangebot an. Auch das österreichische Umweltzeichen beinhaltet Maßnahmen zur Vermeidung von hochwertigem Lebensmittelabfall.

 

Die Autorin:

Foto: Wolfgang Hummer
Foto: Wolfgang Hummer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DANIELA GRACH, MSc, ist Dozentin (FH) am Institut „Diätologie“ an der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg. Bereits seit 30 Jahren ist ihr der ganzheitliche Blick auf unsere Ernährung, eine nachhaltige Ernährungsweise unter Berücksichtigung der Sozial-, Umwelt-, Wirtschafts- und Gesundheitsverträglichkeit auf individueller sowie globaler Ebene, ein persönliches und berufliches Anliegen. Als Diätologin, mit Masterabschluss in Angewandter Ernährungswissenschaft, war sie neben Krankenanstalten und Kurzentren in der Landwirtschaftskammer Steiermark tätig. Neben ihrer Lehrtätigkeit ist sie in praxisorientierten Projekten zur Gesundheitsförderung und im Nachhaltigkeitsbeirat der FH JOANNEUM aktiv.

Literatur:
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/nachhaltige-ernaehrung/, vom 02.05.2023

Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK). Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen. Gemeinsam für ein Ziel. Wien, 2021.

Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK). https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/abfall/abfallvermeidung/lebensmittel/massnahmen/gastronomie.html, vom 02.05.2023

Fachhochschule Münster Institut für Nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft (iSuN). Großküchen & Lieferanten Lebensmittelverluste gemeinsam reduzieren Leitfaden für das Küchenmanagement als Hilfestellung zum Ressourcenschutz. 2007.

 


 

AnkerAnkerAnkerAnkerMüll in der Natur – Ursachen & Strategien dagegen

Von CORNELIA KÜHHAS & KIM RESSAR

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Müllsammeln im Kanu auf der Raab im NP Öriszentpeter (Foto: Harald A. Friedl)


Littering – ein neuer Begriff für ein altes Phänomen, nämlich das achtlose Wegwerfen von Abfällen – ist ein weltweit verbreitetes Phänomen. Vor allem wenn der Abfall in der Natur landet, hat dies mitunter gravierende negative Auswirkungen. Der Müll beeinträchtigt nicht nur das Landschaftsbild und damit die Qualität der Natur als Erholungsraum, sondern hat auch negative Auswirkungen auf unsere Umwelt, auf Tiere und Pflanzen. Warum landet so viel Müll in der Natur? Und welche Strategien helfen dagegen?

In Österreich wurden 2018 bei 2.774 Flurreinigungsaktionen rund 1.000 Tonnen Müll eingesammelt (Umweltbundesamt 2020). Littering in der Natur ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zuerst einmal aus ästhetischer Sicht: Müll in der Natur ist nicht schön anzusehen, vermüllte Landschaften verlieren ihre Attraktivität als Erholungsraum.
Der Abfall hat auch negative ökologische Auswirkungen. Tiere fressen mitunter weggeworfene Gegenstände oder können sich daran verletzen. Zudem werden bei der Zersetzung der Materialien giftige Stoffe frei, die den Boden und Gewässer verseuchen. Dazu kommt, dass wertvolle Ressourcen verloren gehen, da Wertstoffe wie Metalle oder Kunststoffe nicht in die Stoffkreisläufe zurückgeführt werden. Und nicht zuletzt stellt Littering auch eine – unnötige – wirtschaftliche Belastung der Allgemeinheit dar, die für die Kosten der Abfallsammlung aufkommen muss.
 
Warum werden Abfälle einfach in der Natur weggeworfen? Ein Blick in die menschliche Psyche
 
Die Schweizer Interessensgemeinschaft Saubere Umwelt IGSU identifiziert drei Littering-Typen: „Nicht-Litterer“, die aus Überzeugung nichts wegwerfen oder einfach nicht dabei ertappt werden wollen. „Gelegenheits-Litterer“, die sich nichts vorschreiben lassen, sich nichts dabei denken oder einfach keine Zeit haben, ihren Abfall korrekt zu entsorgen. Und die „schweren Litterer“, die Littering als Teil des Spaßes sehen oder darauf vertrauen, dass eine Putztruppe vorbeikommt und den Abfall wegräumt.

müll natur
Foto: Cornelia Kühhas

 
Die Bandbreite der Ursachen und Motive für Littering ist also groß. Und es ist nicht unbedingt die Wertehaltung der einzelnen Person, die darüber entscheidet, ob sie Abfall liegen lässt: „Ob der Abfall auf dem Boden landet, entscheiden vielmehr situative Umstände (Tageszeit, Anonymität, Erreichbarkeit von Kübeln) und das soziale Umfeld.“ (Schweizer „Handbuch Littering“ 2008)

Es hat sich gezeigt, dass herumliegender Abfall die Hemmschwelle für weiteres Littering senkt und eine weitere, stärkere Verschmutzung wahrscheinlich ist. Dieses Phänomen wird als „Broken-Window-Effekt“ bezeichnet. Die Bezeichnung geht auf Beobachtungen in amerikanischen Vorstädten zurück, wonach z.B. ein zerbrochenes Fenster in einem leerstehenden Haus den Prozess der Verwahrlosung von ganzen Stadtteilen antreiben kann. Eine Voraussetzung für den „Broken-Window-Effekt“ ist Anonymität – auf offenen Plätzen und dort, wo eine gewisse „soziale“ Kontrolle stattfindet, ist Littering weniger häufig zu beobachten.

Oft spielt der Gruppendruck eine Rolle, insbesondere bei Jugendlichen. Littering bewerten diese zwar als Fehlverhalten, sie wollen aber „cool“ sein, indem sie gegen soziale Werte und Regeln „aufbegehren“.

Littering lässt sich auch durch die sogenannte „Allmende-Klemme“ (Dilemma of the Commons) erklären: Den Abfall einfach wegzuwerfen oder liegen zu lassen, anstatt ihn im Abfalleimer zu entsorgen oder mitzunehmen, ist für den Einzelnen/die Einzelne bequem. Doch die Folgen davon muss die Gesellschaft trägen – nämlich eine vermüllte Landschaft und die Kosten für das Einsammeln des Mülls.

Faulheit bzw. Bequemlichkeit ist auch tatsächlich die häufigste Ursache von Littering, wie die Humboldt-Universität zu Berlin in ihrer Langzeitstudie „Sauberkeitswahrnehmung und Ursachen von Littering im öffentlichen Raum“ von 2005 bis 2016 im Auftrag von Reinigungsbetrieben in Deutschland und Österreich herausfand. Weitere häufige Motive sind Gleichgültigkeit, fehlende Abfallbehälter, mangelndes Umweltbewusstsein und Anonymität.

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Abfall am Wegesrand (Foto: Cornelia Kühhas)

 

Strategien gegen Littering

Die Krux ist, die Menschen dazu zu bringen, Verantwortung zu übernehmen und somit ihr Verhalten zu verändern. Sensibilisieren, informieren und Bewusstsein schaffen, sind wichtige Maßnahmen – aber möglichst ohne erhobenen Zeigefinger. Hier ist „Nuding“ eine praktikable Strategie. Der Begriff kommt aus der Verhaltensökonomie und bedeutet soviel wie „schubsen“ oder „anstoßen“ – also eine Verhaltensänderung subtil, ohne Druck, Verbote oder das Verändern von ökonomischen Rahmenbedingungen bewirken. Oder anders gesagt: Nudging vermittelt eine Information mit Lenkungsabsicht.

Ein Beispiel sind die „Ballot Bins“, die in Großbritannien entwickelt wurden, um Zigarettenstummel zu sammeln: Es handelt sich um eine transparente Abfallbox mit zwei Einwurfmöglichkeiten. Auf der Box ist eine Frage aufgedruckt, über die man über das Einwerfen seines Zigarettenstummels „abstimmen“ kann – etwa: „Wo erholen Sie sich am liebsten? Am Meer. In den Bergen.“ Die Stadt Graz hat ähnliche Mistkübel aufgestellt.

zigarettenmuell
Foto: Stadt Graz

Eine weitere Strategie ist, das soziale Gewissen der Menschen anzusprechen. Statt Verbots- und Gebotsschildern entlang von Wanderwegen geben motivierende Botschaften, wie „90 Prozent der Wander*innen nehmen ihren Müll wieder mit ins Tal! Hilf auch du mit, die Natur sauber zu halten!“, positive Anreize mitzumachen. Doch Achtung vor dem Bumerang-Effekt: Wenn man das positive Verhalten noch weiter fördern will und den Menschen vermittelt, dass sie bereits zu den top fünf Prozent gehören, die sich vorbildhaft verhalten, könnte das eher demotivierend wirken. Denn einige werden sich fragen: „Warum strenge ich mich an, wenn es die meisten anderen nicht tun?“

In Westen Großbritanniens, im Forest of Dean, versucht man, mit „Tree Faces“ dem Littering Herr zu werden. Schulkinder haben dort Baumstämme mit Gesichtern bemalt. Wir Menschen haben nämlich beim Anblick von Augen das Gefühl, beobachtet zu werden – und sind deshalb weniger geneigt, Regeln zu brechen. Das sollen die „Tree Faces“ bewirken.

Bei Maßnahmen gegen Littering sollte der oben bereits beschriebene „Broken Window Effekt“ nicht außer Acht gelassen werden – also der Effekt, dass bereits herumliegender Abfall dazu animiert, selbst auch den Müll einfach fallen zu lassen. Neuralgische Stellen wie Parkplätze am Startpunkt von Wanderwegen oder beliebte Rastplätze sollten regelmäßig von Müll gesäubert werden.

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Abfallentsorgungsmöglichkeiten vermindern Littering (Foto: Cornelia Kühhas)

 

Respect Nature!

Die Naturfreunde und die Österreichischen Bundesforste haben die österreichweite Kampagne „Respect Nature“ gestartet, die Erholungssuchende zu rücksichtsvollem Verhalten in der Natur animieren möchte. Littering ist ein zentrales Thema. Das Projekt setzt auf Information und Bewusstseinsbildung, aber auch auf positive Anreize sowie Tools, damit Abfall nicht in der Natur weggeworfen wird. „Du kommst für einen Tag, dein Müll bleibt viele Jahre!“ – unter diesem Slogan wird anschaulich dargestellt, wie lange es dauert, bis diverse Abfälle verrotten. Viele wird erstaunen, dass auch „Biomüll“ wie eine Bananenschale noch einige Jahre im Wald herumliegt, bis er verrottet ist.

respect nature

Im Rahmen der Kampagne werden auch hilfreiche Utensilien, die das Einpacken und Mitnehmen des eigenen Mülls zu einer Entsorgungsmöglichkeit unterstützen, kostenfrei angeboten. Das Interesse und der Bedarf daran sind vorhanden: Das sogenannte „Zrucksackerl“ ist heiß begehrt ...

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Auf Wanderungen die Abfälle einfach ins Zrucksackerl packen und zu Hause entsorgen (Foto: Naturfreunde Österreich/Carina Fritz)


Die Autorinnen:

DIin CORNELIA KÜHHAS studierte „Landschaftsökologie und -gestaltung“ an der Universität für Bodenkultur in Wien. Sie leitet den Arbeitsbereich „RESPECT – Nachhaltige Tourismusentwicklung und Entwicklungszusammenarbeit“ bei der Naturfreunde Internationale.
 
DIin KIM  RESSAR studierte „Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur“ an der Universität für Bodenkultur in Wien. Sie ist bei der Naturfreunde Internationale Referentin für Erholungsnutzung und Nachhaltige Tourismusentwicklung und seit 2018 Vorstandsmitglied im „Netzwerk Psychologie & Umwelt“ – Verein für Umweltpsychologie in Österreich.

Quellen & weiterführende Informationen:
 
Littering in Österreich. Stoifl, B., Oliva, J.; Umweltbundesamt, Reports, Band 0730, Wien 2020
https://www.umweltbundesamt.at/studien-reports/publikationsdetail?pub_id=2337&cHash=d2caea1dcac18a88a4e7695d0ac59b66
 
Handbuch Littering. Eine Praxishilfe zur Entwicklung von Maßnahmen gegen Littering. Berger, T., Staub A., Heeb J., Hrsg.: seecon gmbh, 2008
https://www.sg.ch/umwelt-natur/umwelt/abfall/littering/_jcr_content/Par/sgch_downloadlist/DownloadListPar/sgch_download_521053135.ocFile/Handbuch_Littering.pdf
 
Wahrnehmung von Sauberkeit und Ursachen von Littering – eine Langzeitstudie 2005–2017, Studie im Auftrag der Reinigungsunternehmen Berlin (BSR), Bern, Dortmund (EDG), Dresden (SR Dresden GmbH), Duisburg (Wirtschaftsbetriebe Duisburg), Düsseldorf (AWISTA), Frankfurt am Main (FES), Hamburg (SRH), Hannover (AHA), Köln (AWB), Leipzig (SRL), München, Stuttgart (AWS) und Wien (Magistratsabteilung 48), durchgeführt an der Humboldt-Universität zu Berlin, Professuren Kognitive und Allgemeine Psychologie. 2018, Hrsg. Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) https://www.vku.de/publikationen/2018/information-93/
 
Status Quo, Handlungspotenziale, Instrumente und Maßnahmen zur Reduzierung des Litterings. Hrsg. Umweltbundesamt Deutschland, Abschlussbericht 2020
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/status-quo-handlungspotentiale-instrumente
 
Littering. Why (not)? Didaktische Materialien zu bewusstem Konsum und gegen Littering. Hrsg.: Umweltdachverband gGmbH, 2022
https://www.umweltbildung.at/shop/littering-why-not/
 
Interessensgemeinschaft für eine saubere Umwelt, IGSU
https://www.igsu.ch/de/littering/ursachen/
 
Ballot Bins UK
https://ballotbin.co.uk/
 
Tree Faces im Forest of Deans
https://www.litterpreventionprogram.com/uploads/1/3/0/3/13036366/litterland_3.020.pdf
 
Respect nature!
https://umwelt.naturfreunde.at/respect-nature/


 


 

AnkerAnkerAnkerBerge von festen Abfällen in der Everest-Region: Ist der Trekkingtourismus wirklich nachhaltig?

SITARAM DAHAL

Nepal Tourism Board
Foto: Amrit Bhadgaonle/Nepal Tourism Board

Der Mount Everest, der höchste Gipfel der Erde, war 2019 weltweit in den Nachrichten, allerdings nicht mit guten Schlagzeilen. Das Bild des Guinness-Weltrekordhalters Nirmal Purja ging viral und zeigte den enormen Verkehr der Gipfelstürmer*innen auf dem Everest. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich, als der Everest vom National Geographic als "Müllberg" bezeichnet wurde, was eine ernsthafte Bedrohung für das UNESCO-Welterbe darstellte. Was sind also die Hauptursachen dafür? Der Berg selbst, die natürlichen Ressourcen der Region oder die einheimische Bevölkerung der Region (die sehr gering ist)? Offensichtlich sind die Besucher*innen, die die Region für Trekking und Expeditionen besuchen, die Hauptverantwortlichen.

Der Trekkingtourismus wird weithin als eine Form des nachhaltigen Tourismus angesehen. Wissenschaftler wie Rozycki und Dryglas (2014) sind der Meinung, dass Trekking in unerforschten Regionen betrieben wird, in denen die Besucherströme in der Regel gering sind. Es handelt sich um einen naturbasierten Tourismus. Die Daten aus der Everest-Region zeigen jedoch ein widersprüchliches Bild. Im Jahr 2019 wurden im Rahmen der Mountain Cleaning Campaign, die normalerweise jährlich in der Region durchgeführt wird, 10.000 Kilogramm feste Abfälle aus der Region gesammelt. Bei diesen Abfällen handelt es sich in der Regel um Abfälle, die von den Trekker*innen und Bergsteiger*innen des Mount Everest hinterlassen werden.

Abfälle in Sagarmatha
Abfälle in Sagarmatha (Foto: Sitaram Dahal)

 

Multiplikator-Wirkung des Tourismus in Khumbu

Der Tourismus hat in der Everest-Region, in der die Menschen nur minimale Möglichkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, eine entscheidende Rolle gespielt. Die Region ist eine Bergregion, in der es nur wenig fruchtbares Land gibt, das sich für die kommerzielle Landwirtschaft eignet. Der Mangel an Infrastrukturen behindert die Erschließung der Region für alternative Wirtschaftsquellen.

Wissenschaftler wie Mahato (2020) meinen, dass der Bergtourismus, insbesondere die Besteigung des Everest, als die erste touristische Aktivität des Landes angesehen werden kann. Vor 1950 war das Land nur sehr wenigen Menschen zugänglich, insbesondere geladenen Delegierten der Herrscher. Nach der offiziellen Öffnung des Tourismus im Jahr 1951 war der Sektor einer der wichtigsten Beitragszahler zum nationalen Bruttoinlandsprodukt. Nach Schätzungen des World Tourism and Travel Council trug die Tourismusbranche im Jahr 2019 rund 7 Prozent zum gesamten BIP bei. Die Zahl wäre noch viel höher, wenn wir die damit zusammenhängenden Beiträge berücksichtigen.

Speziell in der Everest-Region hat der Sagarmatha-Nationalpark mehr als 950 Millionen nepalesische Rupien an Einnahmen erzielt. Der Beitrag des Tourismus durch das Schaffen von Arbeitsplätzen und Einkommensmöglichkeiten für die örtlichen Teehäuser/Hütten ist noch größer. Darüber hinaus hat der Tourismus als Eisbrecher im Bereich der Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen in der Region gewirkt, da Schulen und Gesundheitseinrichtungen nach dem Aufblühen des Tourismus in der Region eingerichtet wurden.

Abfälle im Everest: Vielfältige Ursachen und vielfältige Wirkungen

Es gibt viele Ursachen für die Abfälle im Everest. Die unzureichende Umsetzung und Überwachung der Abfallbewirtschaftungsvorschriften in Khumbu durch die beteiligten Akteure, die unzureichende rechtzeitige Beseitigung der erzeugten und gesammelten Abfälle aus der Region und die Häufung von Krankheitsfällen  aufgrund mangelnder Hygiene sind einige Faktoren.

Auch die Auswirkungen, die die Abfälle in der Region haben, sind vielfältig. Von der Verschlechterung der Umwelt, über die Emission von Treibhausgasen und dem damit verbundenen Anheizen des Klimawandels bis hin zur Beeinträchtigung des Tourismus, der in direktem Zusammenhang mit der Wirtschaft der Region steht, haben die Abfälle vielfältige direkte und indirekte Auswirkungen.

Wie werden Abfälle in der Region behandelt?

Es ist nicht so, dass in der Khumbu-Region nichts unternommen wird, um die Abfälle zu entsorgen. Es gibt ein spezielles Gremium, das Sagarmatha Pollution Control Committee, das sich auch mit dem Management fester Abfälle beschäftigt. Mehrere Interessengruppen arbeiten ebenfalls daran. Hier ein paar Beispiele: Die Bundes- und die Lokalregierung haben die Abfallbewirtschaftung zu einer vorrangigen Aufgabe erklärt; die nepalesische Armee führt jährliche ein Programm zur Bergreinigung durch, bei dem die Abfälle in den Bergen gesammelt, abtransportert und entsorgt werden; verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiten ebenfalls an der Abfallbewirtschaftung in der Region. Außerdem hat die Regierung Vorschriften für die Abfallentsorgung in der Region erlassen.

Abfallsammelstelle in der Region Khumbu
Abfallsammelstelle in der Region Khumbu (Foto: Sitaram Dahal)

 

Schuldzuweisungen unter den Akteuren

Die wichtigsten Akteure der Region sind sich einig, dass die zunehmende Menge an festen Abfällen eine Bedrohung für die Region darstellt. Allerdings gibt es eine Debatte darüber, wer die Hauptverantwortung für dieses Szenario trägt. Ein Beispiel: Herr Pasang, ein einheimischer Führer, war sofort bereit, den Besucher*innen die Ursache der Abfälle zu nennen, als er danach gefragt wurde. In ähnlicher Weise wies ein Mitwanderer auf die überfüllten Müllsammelstellen hin, als er nach den Abfällen gefragt wurde. Es gibt zwar ein Gesetz zur Bewirtschaftung fester Abfälle, doch die Menge der anfallenden Abfälle lässt auf eine schwache Umsetzung schließen.

Feste Abfälle im Everest: Ein perfektes Beispiel für die "Tragödie der Allmende"

Garrett Hardin stellte die Theorie der Tragödie der Allmende (1968) auf, die beschreibt, wie die gemeinsamen Ressourcen übermäßig genutzt und beeinträchtigt werden. Die Theorie besagt, dass der Mensch dazu neigt, eine rationale Entscheidung zu treffen, wenn er die Ressourcen übermäßig ausbeutet, da er ausschließlich die Vorteile der Ressourcen genießt, während er die Folgen nur zu einem Bruchteil zu spüren bekommt. In ähnlicher Weise rüsten sich Wanderer mit ausreichend tragbaren Lebensmitteln und anderem Zubehör aus, das sie in der Regel auf dem Weg und nach dem Verzehr zurücklassen. Das ist für sie bequem, während die Folgen aber für alle zu spüren sind. Es ist also die rationale Entscheidung der Besucher*innen, die die Hauptursache für die Entstehung fester Abfälle in der Everest-Region ist. Diese Entscheidung ist jedoch völlig unverantwortlich.

Hinterlasse nur Fußabdrücke, nimm nur Erinnerungen mit: Die einzige Lösung für feste Abfälle
Die beste Lösung für die Bewirtschaftung fester Abfälle an Orten wie der Everest-Region besteht darin, keinen Abfall zu produzieren. Besucher*innen nehmen viele (meist importierte) Lebensmittel mit, die nicht nur feste Abfälle erzeugen, sondern auch bei ihrem Transport Kohlendioxid emittieren. Daher sind in der größten "Skulptur der Natur"– dem Mount Everest – ganzheitliche und sektorübergreifende Maßnahmen für eine wirksame Abfallwirtschaft erforderlich.

 

Der Autor:

Sitaram Dahal

 

 

 

 

 

 

SITARAM DAHAL arbeitet als Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung beim Nepal Tourism Board, der nationalen Tourismusorganisation von Nepal. Er ist Ausbilder für nachhaltigen Tourismus bei CESTour. Er hat einen Master-Abschluss in Umwelt und nachhaltiger Entwicklung und einen Master in ländlicher Entwicklung. Derzeit absolviert er ein PG-Diplom in klimafreundlichem Reisen beim ITS, Malta / SunXMalta. Der Artikel basiert auf seiner Forschungsarbeit über das Dilemma des Trekkingtourismus und der Nachhaltigkeit (im Erscheinen).
 
Zitierte Quellen:

Rozycki, P. & Dryglas, D. (2014). Trekking as a phenomenon of tourism in the modern world. Acta Geoturistica vol. 5 (1), nr. 1, pp 24-40 https://www.researchgate.net/publication/301565755_Trekking_as_a_phenomenon_of_tourism_in_the_modern_world

Hardin, G. (1968). The Tragedy of the Commons: The population problem has no technical solution; it requires a fundamental extension in morality. Science, Vol. 162 (3859), pp 1243-1248, doi.org/10.1126/science.162.3859.1243

Mahato, G., Nyaupane, P., Lamichhane, M., Bhattarai, U., Subedi, D., Shrestha, S., & Dahal, A. (2021). Tourism in Nepal. Kathmandu: Nepal Mountain Academy.
 


 

AnkerAnkerAnkerAnkerAbfall-Management in und um Ugandas Nationalparks: komplexe Regeln, praktische Probleme, einfache Lösungen

Von AHIMBISIBWE COLLEB, JIMMY OGWAND & HARALD A. FRIEDL

Statue aus Plastiksäcken
Schimpansen-Skulptur aus Plastiksäcken (Mandrill African Safaris)

Uganda, am Äquator zwischen Kongo, Viktoriasee und Südsudan gelegen, war einst von Winston Churchill „die Perle Afrikas“ genannt worden. Das Land nahe der Nilquelle besticht durch eine Vielfalt an Natur- und Landschaftsformen und eine große Zahl an Natur- und Nationalparks. Zu den bekanntesten touristischen Attraktionen zählen die schwer zugänglichen Gorilla-Reservate im Nordosten des Landes sowie die spektakulären Murchison Falls des Weißen Nils. Natur-Tourismus zählt für Uganda zu einer zentralen Quelle für Devisen. Doch Tourismus – wie auch das Leben um die Nationalparks – produziert Abfall, dessen Entsorgung eine besondere Herausforderung darstellt. Das regionale Reiseunternehmen Mandrill African Safaris sieht sich als Teil der Lösung …

Plastik als modernes Verpackungsmittel

In den Naturschutzgebieten und insbesondere in deren Umfeld stellt das Abfallmanagement eine besondere Herausforderung dar. Die Zeiten, als Güter mit natürlichen Verpackungsmitteln zu den Endverbraucher*innen transportiert wurden, sind weitgehend vorbei, auch wenn das Bananenblatt als Verpackungsmaterial immer noch eine gewisse Rolle spielt (die Kochbanane ist ein Grundnahrungsmittel in Uganda). Denn längst hat der leichte und langlebige Kunststoff traditionelle Verpackungsmaterialien verdrängt. Doch gerade die Langlebigkeit stellt ein zentrales Problem dar.

Darum ist das Management der Sammlung und Entsorgung von Kunststoffabfällen ein zentrales Ziel von Entwicklungsprojekten, wie etwa das „Kibale Fish and Monkey Project“. In dessen Fokus steht die Gesundheitsförderung in Gemeinden um den Kibale Nationalpark im Westen des Landes. Hier wurde Abfall bislang unkontrolliert und individuell verbrannt, was zu enormer Rauchbelastung von Menschen und Ökosystemen geführt hatte. Oder der Kunststoffmüll wurde im Straßengraben, an Wasserstellen und in den Wäldern „entsorgt“. Derartige wilde Mülldeponien sind jedoch Brutstätten für Malaria und andere gefährliche Krankheitserreger. Darum ist die Bewältigung des Abfallproblems auch ein wichtiger Beitrag zur Gesundheitsförderung. Zudem beeinträchtigen Kunststoffe die Keimung von Bäumen und generell die Gesundheit der Ökosysteme.

Komplexe Regeln für lebensnahe Probleme?

Der Umgang mit Abfall ist in Uganda gesetzlich klar geregelt. Nach modernen Standards ist Abfall weitestgehend zu vermeiden und Kunststoff der Wiederverwertung zuzuführen. Für die Umsetzung dieser Gesetze in den Nationalparks und deren Anrainergemeinden ist die ugandische Naturschutzbehörde zuständig. Dies gilt für die Sammlung, den Transport und die Entsorgung der Abfälle. Dazu wurden etwa im Kibale-Nationalpark Mülldeponien eingerichtet und Abfallbehälter an stark besuchten Orten sowie in den Anrainer-Gemeinden bereitgestellt, die von der Nationalpark-Verwaltung auch geleert und entsorgt werden. Zudem herrschen im Nationalpark strenge Vorschriften für die Einfuhr und Verwendung von Kunststoffen. Zur Vermeidung von Kunststoffabfällen wird etwa der Einsatz von wiederverwendbaren Einkaufstaschen gefördert oder die Wiederverwendung von Kunststofftragetaschen als Müllbeutel angeregt. Eine zentrale Rolle spielt auch die korrekte Abfalltrennung.

Abfallsammelstelle
Abfallsammelstelle (Foto: Mandrill African Safari)

Praktische Hindernisse außerhalb der Schutzgebiete

Zur Umsetzung dieser Regeln in den Siedlungsgebieten außerhalb des Nationalparks wurden in ausgewählten Dörfern an ausgezeichneten Sammelstellen Container aufgestellt und Müllsäcke mit der Aufschrift „Nur Kunststoff“ an die Bevölkerung verteilt. Damit sollte es möglichst einfach gemacht werden, den Kunststoffabfall getrennt zu sammeln und abzugeben. Plangemäß sollte der gesammelte Abfall dann zentral verbrannt oder zu den zentralen Mülldeponien der Stadtverwaltung transportiert werden.
Die Umsetzung dieses Plans stieß jedoch rasch an grundlegende Probleme: Zunächst hielt sich kaum jemand an die Vorgaben zur Trennung der Abfälle. Vielmehr fanden sich in den Kunststoff-Sammelbehältern ein Müll-Mischmasch. Dann erwies sich auch die Qualität der Sammelsäcke als minderwertig angesichts der extremen, von hoher Feuchtigkeit und Hitze geprägten Witterung. Zahlreiche Sammelsäcke, die nicht verwitterten, wurden von Gemeindebürger*innen entwendet, um darin Lebensmittel für den persönlichen Gebrauch zu lagern. Letztlich mussten die Sammelsäcke durch solche von besserer Qualität ersetzt werden, was zu ungeplanten Kosten führte.

Zum Hauptproblem wurde jedoch die Entsorgung der vollen Sammelsäcke, weil die dafür anfallenden Arbeits- und Transportkosten im Projektbudget nicht vorgesehen waren. Die Verbrennung wurde wegen der Gesundheitsgefährdung abgelehnt, und zum Vergraben des Abfalls fehlt es an Mitteln für den Mülltransport sowie für den Erwerb eines geeigneten Stück Landes. Derzeit wird nach neuen, praktikablen und finanzierbaren Lösungen für das Abfallproblem außerhalb des Nationalparks gesucht. Einen neuen Ansatz stellt Upcycling dar: In einigen Dörfern werden aus brauchbarem Abfall Körbe geflochten, Dekorationen wie z.B. Elefantenstatuen gestaltet oder Stühle aus Plastikflaschen gebaut. Angesichts der großen praktischen Probleme mit der Abfallentsorgung wird Abfallvermeidung zu einem Schlüsselthema.

Abfallvermeidung auf Safaris

Mandrill African Safaris sieht sich hier einerseits als wichtiges Role-Model als auch als Berater in den Gemeinden entlang der touristischen Routen. Dabei sind Schulungen, die sich inhaltlich wie didaktisch an der Lebenspraxis der Menschen vor Ort orientieren, ein wichtiger Hebel, um die Menschen für das Thema Abfallvermeidung zu gewinnen. Am wichtigsten aber ist es, möglichst keinen Abfall in die bereisten Regionen einzuführen. Darum gelten für die Mitarbeiter*innen von Mandrill African Safaris als eiserne Regeln, keine Abfälle im Park und an den Straßen abzuladen und keine Wildtiere zu füttern. Abfall, der während touristischer Reisen anfällt, wird in eigenen Behältnissen in den Fahrzeugen gesammelt und nach der Rückkehr in offiziellen entsorgt. Für unterwegs getätigte Einkäufe werden mitgeführte Mehrzwecktaschen verwendet. Denn die Verwendung von Plastiksäcken ist bei Mandrill African Safaris tabu.

Vor allem aber gilt es, immer wieder die Reisekund*innen für das Thema Abfall zu sensibilisieren. So kann eine Reise zu den letzten Naturschätzen der Erde zu einem prägenden Erlebnis werden, das zum Umdenken im Umgang mit der eigenen Lebenswelt führt – und unsere Gäste können zu Fürsprecher*innn des Umweltschutzes werden.

Die Autoren:

Colleb

 

 

 

 

 

 

 

 

 

AHIMBISIWE COLLEB, 27, war früher Großwildjäger, bis er im Jahr 2019 Mandrill African Safaris gründete. Der Absolvent der Nkumba University, einem Kooperationspartner der FH JOANNUM, ist heute professioneller Reiseführer, Berater in Nationalpark-Agenden und Forschungsassistent der Makerere University in der Biological Field Station (MUBFS) in Zusammenarbeit mit dem Kibale National Park.

 

Okawng

 

 

 

 

 

 

 

JIMMY OGWANG, 37, ist Reiseleiter bei Mandrill African Safaris, ein ausgezeichneter Kenner der Nationalparks von Uganda und ebenfalls Forschungsassistent der Makerere University in der Biological Field Station (MUBFS).

Mandrill African Safaris (https://mandrillsafaris.com/about.php) arbeitet mit der Uganda Wildlife Authority (UWA), der Makerere University Biological Field Station (MUBFS) und anderen ausländischen Universitäten im Rahmen von Umwelt- und Klimaprojekten zusammen.

 


 

AnkerDie jüngsten Krisen und ihre Auswirkungen auf die Umweltleistung im Tourismus- und Gastgewerbesektor in Sri Lanka

Von HIRAN DINUSHA und CHANDIMAL RANATHUNGA

Mülltrenn-Anlage in einem 5-STerne-Hotel in Sri Lanka
Mülltrenn-Anlage in einem 5-Sterne-Hotel in Sri Lanka (Foto: Hiran Dinusha)

COVID-19, die globale Pandemie, stürzte viele der aufstrebenden Volkswirtschaften und Märkte in massive Rezessionen, die sie in ihrer Geschichte noch nie erlebt hatten. Der unvorhergesehene globale Schlag traf jene Volkswirtschaften, die hauptsächlich vom Tourismus, dem Welthandel, den Rohstoffexporten und der Außenfinanzierung abhängig sind, besonders hart. Die Tourismusbranche in Sri Lanka ist der drittgrößte Devisenbringer des Landes und wurde von diesem globalen Schlag noch stärker getroffen, nachdem sie sich langsam von den Folgen der Anschläge vom Ostersonntag 2019 erholt hatte. Selbst im Jahr 2022 konnte die Branche aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Krisen, mit denen der Inselstaat konfrontiert war, noch kein Comeback verzeichnen.

Da die Branche durch drei bis vier aufeinanderfolgende Schläge in kürzerer Zeit lahmgelegt wurde, haben viele Unternehmen ihre Haushaltsmittel umgeschichtet, um Überlebensoptionen zu finanzieren anstatt in Bereiche wie Nachhaltigkeit, Umweltmanagement oder CSR zu investieren. Aus unternehmerischer Sicht ist es nachvollziehbar, als kurzfristige Überlebensstrategie Haushaltsmittel umzuschichten, um in der Branche zu bleiben. Unter solchen, existenziell bedrohlichen Umständen ist es schwierig, Unternehmen davon zu überzeugen, zusätzliche Haushaltsmittel für Nachhaltigkeit und speziell für Maßnahmen im Bereich des Umweltmanagements zu erübrigen. Aus einer längerfristigen Perspektive ist dies jedoch hochproblematisch, denn die meisten nachhaltigkeitsbezogenen Probleme sind zwar subtiler, kurzfristig somit unauffälliger, können aber für die Zukunft dauerhafte Schäden für die Branche verursachen.

Ein grüner wirtschaftlicher Aufschwung hätte aus dem weltweiten Rückgang der Treibhausgasemissionen infolge der Pandemie Kapital schlagen können, aber ein grüner wirtschaftlicher Aufschwung, insbesondere für die Tourismusindustrie des Inselstaates, war nie eine einfache Angelegenheit, eben da der Tourismus auf Sri Lanka von mehreren Krisen schwer getroffen worden war. So wurden bislang etwa auf staatlicher Ebene angesichts der weitreichenden politischen und wirtschaftlichen Instabilität keinerlei entsprechenden politischen Leitlinien formuliert, obwohl dies eine wesentliche Voraussetzung für einen grünen Erholungsprozesses darstellt.

 Lokal produziertes Gemüse im Jetwing Lighthouse Hotel
 Lokal produziertes Gemüse im Jetwing Lighthouse Hotel (Foto: Hiran Dinusha)

Auf operativer Ebene sahen sich viele touristische Unternehmen und Einrichtungen mit grundlegenden Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit konfrontiert. Dies betraf nicht nur die Wahrnehmung von zukunftsweisenden Nachhaltigkeitsverpflichtungen, wie z.B. jene der Transition hin zu sauberer Energie oder zur Reduktion von klimarelevanten Emissionen. Vielmehr war auch die praktische Umsetzung von elementaren Aspekten des Umweltmanagements betroffen, wie z.B. die Trennung und Entsorgung von Abfällen aus dem touristischen Betrieb.

Aufgrund der Unterbrechung der Grundversorgung mit Strom, Treibstoff und Gas mussten viele Unternehmen zusätzliche Investitionen tätigen, um diese Grundversorgung wieder sicherzustellen. So musste etwa in die Errichtung von provisorischer Infrastruktur zur Lagerung von Treibstoff und Gas investiert werden. Sobald jedoch die regelmäßige Energieversorgung wieder hergestellt war, stellten diese Infrastrukturen massive Belastungen als gebundenes Kapital sowie als Risikofaktor für die Gesundheit und Sicherheit der Menschen in den betroffenen Unternehmen dar. So zwangen etwa häufige Stromausfälle die Unternehmen dazu, den Eigenbedarf an elektrischer Energie durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe sicherzustellen, was naturgemäß besonders hohe Emissionen verursacht.

Die lokalen Abfallwirtschaftssysteme kamen weitgehend zum Stillstand, da deren formelle und informelle Akteure mit vielfältigen Ressourcenengpässen konfrontiert waren. Dadurch wurde etwa die Sammlung und Lagerung der verschiedenen Abfallfraktionen weitgehend verunmöglicht. Dieses Problem wurde während der Pandemie zusätzlich verschärft, weil plötzlich viel mehr Sanitär- und Gesundheitsabfälle anfielen, was die bestehenden Abfallwirtschaftssysteme weitgehend überforderte.

Die Multikrise hatte jedoch auch positive Effekten. Der Zwang zur Sicherstellung und Optimierung von Lieferketten, zur Modernisierung von Transportknotenpunkten und zur Treibstoffeffizienz führte auch zur Förderung von lokal hergestellten Lebensmitteln und Produkten für Tourist*innen. Zudem wurden nunmehr auch öffentliche Verkehrsmittel vermehrt für betriebliche Aktivitäten von Hotels und Reiseunternehmen genutzt. Diese Effekte erwiesen sich als vielversprechend im Hinblick auf das Bemühen, gewisse Umweltprobleme in den Griff zu bekommen, sobald diese nach dem Ende der Krise wieder auftauchen. Dies hat zudem nicht nur ökologische Vorteile für die Allgemeinheit, sondern auch wirtschaftliche Vorteile für das jeweilige touristische Unternehmen sowie für die Destination.

Als ein Land mit großem touristischen Potenzial verfügt Sri Lanka über weitreichende Erfahrungen mit der Bewertung von Risiken und Anfälligkeiten der Branche sowie mit dem Meistern von Herausforderungen des Nachhaltigkeitsmanagements. Jetzt aber ist es höchst an der Zeit, die bisherigen Konzepte zur Umsetzung von Nachhaltigkeit und insbesondere auch des Umweltmanagements zu überdenken und zu verbessern, um dadurch die Branche wiederzubeleben und in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Denn wirkungsvolle Nachhaltigkeitspläne könnten im Falle von neuerlich eintretenden Katastrophen zu einer Überlebensoption werden.

 

Die Autoren:

Ranathunga

 

 

 

 

 

 

 

 

CHANDIMAL RANATHUNGA ist Lehrbeauftragter in der Abteilung für Tourismusmanagement an der Fakultät für Managementstudien der Sabaragamuwa Universität von Sri Lanka.

Dinusha


 
 

 

 

 

 

HIRAN DINUSHA ist Lehrbeauftragter in der Abteilung für Tourismusmanagement an der Fakultät für Managementstudien der Sabaragamuwa Universität von Sri Lanka.

Die Sabaragamuwa Universität Sri Lanka ist Kooperationspartner der FH JOANNEUM im Rahmen des ERASMUS+ Projekts „CesTour“ – „Centers of Excellence in Sustainable Tourism to boost Economic Development and enhance University“.

 


 

AnkerAnkerAnkerDiskurs: Gehört der Abfall zum Tourismus wie die kurzen Hosen?

Was hilft gegen Müllgebirge - und wo stehen die eigentlich? Ein kritischer Diskurs zwischen CORNELIA KÜHHAS (respect_NFI), HARALD A. FRIEDL (FH JOANNEUM ) und JON ANDREA FLORIN (fairunterwegs).

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Foto: Elena Schwab


 

Jon A. Florin: Viele Reisende aus dem globalen Norden können sich grün und blau ärgern über den herumliegenden Abfall in ärmeren Regionen und Ländern. Aber eigentlich haben sie den Abfall selbst mitgebracht. Schließlich produziert der weltweite Tourismus rund ein Drittel des weltweiten Abfallaufkommens, schätzt die Welttourismusorganisation (UNWTO). Es bräuchte also eine Art weltweite Abfallabgabe.

Harald A. Friedl: Ich persönlich definiere Tourismus gern als das “Geschäft mit mobiler Konsumkultur” – und damit Kapitalismus in seiner reinsten Form: Sehen, nehmen, verbrauchen, wegwerfen. Das gilt für eine Dose “Red-Bull” im letzten Winkel der Welt genauso wie für diesen Winkel selbst. Insofern gehe ich weiter als Jon und postuliere: Es braucht eine Art weltweiter Tourismusabgabe im Sinne einer Eintrittsgebühr nach dem Vorbild Bhutans: Wer ein Land oder eine Destination bereist, muss vorab eine Gebühr bezahlen, bemessen an den dabei verbrauchten Ressourcen und produzierten Emissionen in jeder Form, ob fester Abfall oder klimaschädliche Gase. Das würde allerdings die Umsetzung eines lange geforderten Prinzips erfordern: Kostenwahrheit …

Cornelia Kühhas: Das sehe ich genauso – Kostenwahrheit ist ein wichtiger “Schlüssel” zur Lösung des Müllproblems. Allerdings noch ein Wort zu Jons einleitender Feststellung: Ich ärgere mich auch hier in Österreich immer wieder über herumliegenden Müll; ich würde also nicht behaupten, dass das nur ein Problem der Länder im globalen Süden ist …

Florin: Die industrialisierten Länder - nicht nur der Westen, sondern etwa auch asiatische Länder – exportieren eine Warenkultur mit Produkten in Einwegverpackungen, transportiert in Einweggebinden. Die Tourist*innen zelebrieren diese Warenkultur. Dabei zerstören sie eine deutlich weniger abfall-intensive Produktionsweise. Was können Reisende und Reiseveranstalter da tun?

Friedl: Diese Produktionsweise ist ja für den Konsumenten/die Konsumentin – kurzfristig – supergeil: ein Raclette-Schnitzel mit Pommes um 5,90 Euro im Möbelhaus füllt den Bauch, und ein Flug nach New York um 210 Euro auf der Billigflugplattform verspricht Träume vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Den wahren Preis zahlen jene, die sich nicht wehren können: leidende Tiere in industriellen Zucht- und Schlachtanlagen, katastrophale Arbeitsbedingungen, Abfall, der möglichst “kostenschonend” als tickende Zeitbomben entsorgt wird, etwa als Klimagas in die Luft. Betrifft uns ja eh nicht … (zumindest nicht so schnell …).

Florin: “One man’s trash is another ones treasure.” Die fairunterwegs-Mitarbeiterin Elena Schwab hat bei einer Feldforschung in Burkina Faso beobachtet, wie meist Frauen weggeworfene PET-Flaschen einsammeln und dann Bissap (Getränk aus Hibiskusblüten), Ingwersirup etc. in diesen wiederverwendeten Plastikflaschen verkaufen. Ist es eine gute Idee, wenn nun Hotels und Restaurants diese Flasche sammeln und den Frauen geben? Steckt hier ein Ansatz für ein lokal angepasstes Abfallverwertungssystem?

Kühhas: Natürlich ist „Müll nicht gleich Müll“, und Abfälle sind großteils auch Rohstoffe, aber angesichts der enormen, überwiegend Kunststoff-Abfallmengen, die weltweit von Tourist*innen produziert werden, sind solche lokalen „Recyclingaktionen“ doch reine Alibi-Aktionen. Sie beruhigen vielleicht das schlechte Gewissen von Tourist*innen und vermitteln zudem eine „kolonialistische“ Botschaft: dass wir Tourist*innen aus dem Globalen Norden mit unserem Müll unseren Gastgeber*innen womöglich noch Gutes tun …
Die Lösung kann nur sein, das Müllaufkommen drastisch zu reduzieren, auch im Sinne des Tourismus! Vermüllte Strände und Landschaften sind nicht attraktiv für Tourist*innen.

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Foto: Christian Wagner

Friedl: Ich habe das von Elena beschriebene Prinzip auch bei den Tuareg kennengelernt: Dort schwärmten Nomadinnen über großzügige Tourist*innen, die leere Sardinendosen verschenkten. In der Wüste mögen kleine, dichte Behältnisse für manche ein Segen sein, aber keine Lösung. Wie Cornelia klar zeigen konnte, wird hier lediglich aus der Not – “Wohin mit unserer leeren Sardinendose, wo keine Abfalleimer stehen?” – eine Pseudo-Tugend gemacht. Das funktioniert bei wenigen Tourist*innen und genügend Nomad*innen. Mit dem (Abfall-)Aufkommen entstehen neue Formen der ökonomischen Anpassung, etwa in Gestalt von “Müllmenschen”, ob in Kairo und anderen Megastädten. Dabei sind abermals die Ärmsten der Armen de facto gezwungen, unter lebensgefährlichen Bedingungen und ohne jede Aufstiegschance unseren Dreck zu versorgen, und liefern uns zudem die scheinheilige Ausrede, wir würden “Arbeitsplätze schaffen”.

Florin: Es verhält sich beim Müll gleich wie bei den Treibhausgasen: erst vermeiden und dann … ja, was ist dann: kompensieren? Damit wären wir wieder bei einer weltweiten Müllsteuer, welche die Entsorgung der Verpackung gleich einpreist. Ich würde gerne noch über diese gesetzlichen Rahmenbedingungen reden. Was haltet Ihr vom Beispiel Tansania: Ich kann Tansanias Plastikimportverbot einiges abgewinnen.

Kühhas: Zwiespältig sehe ich auch Projekte, wie das geplante „Recycled Ocean Plastic Resort“ vor der Küste der Kokosinseln im Indischen Ozean. Die Architektin Margot Krasojević hat eine künstliche Insel mit einem Hotel entworfen – gebaut aus Plastikmüll, der hier im Meer treibt. Die Argumentation: Plastikmüll erhält ein sinnvolles zweites Leben und zudem wird laufend Plastikmüll angeschwemmt, wodurch die Insel weiter wachsen kann. 2025 sollen die ersten Gäste ins Ressort einziehen. Wenn das Projekt quasi als Mahnmal dazu beiträgt, das Bewusstsein für den Plastikmüll zu schärfen, ok. Doch soll das die Zukunft des Tourismus sein? Auf dem Müllberg sitzen und fleißig weiter Müll produzieren?
Auch ökologisch gesehen stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit: Der Plastikmüll zersetzt sich durch die Einwirkung von Meerwasser und Sonne – und landet wieder als Mikroplastik im Meer …

Friedl: Ich fürchte, es liegt im Wesen des Kapitalismus, aus allem ein Geschäft – eben aus der Not eine Tugend zu machen. In diese Kategorie fällt auch der Slum-Tourismus: Wir schauen uns “die Armen” an, wie sie “hausen”, analog wie wir in schicken “Müll-Resorts” urlauben und uns dabei wohl auch noch super-grün vorkommen.
Ich versuche nun mal die Kehrtwende: Weg von Kapitalismuskritik hin zu konstruktiver Instrumentalisierung des Kapitalismus, wie es Jon empfiehlt: Die Konsumkultur der Lustmaximierung ist so tief in unser Gehirn eingegraben, dass hier rationale Argumente wenig greifen. Preise sind ja grundsätzlich ein hilfreiches Steuerungsinstrument, führen aber beim Abfall in Österreich dazu, bei höheren Abfallkosten das Müllaufkommen zu reduzieren – nämlich in den Gemeinden. Dafür steigt es in den Wäldern …

Kühhas: Allerdings! Laut dem Umweltbundesamt wurden in Österreich 2018 bei 2.774 Flurreinigungsaktionen rund 1.000 Tonnen Müll eingesammelt. Und gerade in den letzten Jahren während der pandemiebedingten Reisebeschränkungen waren noch mehr Menschen in den Wäldern unterwegs – und haben viel Müll hinterlassen.
Besonders angespannt kann die Abfall- und Abwasserproblematik in Regionen werden, in denen sich der Tourismus ohne Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten und vorhandenen Ressourcen (z.B. für eine entsprechende Logistik und Technik für die Abwasser- und Abfallentsorgung) entwickelt. Ich habe Bilder von Müllbergen auf Mallorca oder Bali vor Augen … Tourist*innen aus Nord- und Mitteleuropa setzen oft voraus, dass Entsorgungssysteme so wie zu Hause funktionieren und man darum auch so konsumieren könne.

Friedl: Ich lese gerade das Buch “Im Grunde gut. Eine neue Geschichte der Menschheit” von Rutger Bregman und  breche darum eine Lanze für den Glauben an die Wandlungsfähigkeit der Menschen: Tatsächlich zeigen Studien über die Wirkung von Nudges, dass Tourist*innen naturgemäß im Urlaub gerne genießen und die Dinge schleifen lassen. Dennoch wollen sie keine “grauslichen Ungusteln” sein. Wenn sie bemerken, dass Verhaltensweisen gegen die “Normalität der breiten Mehrheit” verstoßen, neigen sie dazu, sich der Mehrheit anzupassen. Wer in Hotelbädern appelliert, Handtuchwäsche verursache Abwässer und damit Umweltbelastungen, weshalb man das Handtuch “der Umwelt zuliebe” häufiger verwenden möge, erntet wenig Reaktion. Die Botschaft “80% unserer Gäste verwenden ihre Handtücher auch am 2. Tag” erzielte hingegen im Rahmen einer Studie ein 60% geringeres Wäscheaufkommen. Man muss den Kund*innen mit “Schmähs” kommen, ihre Emotionen und Bedürfnisse ansprechen. Mit Moralisieren kommen wir genauso weit wie mit globalen Regelungs- und Steuersystemen …

Florin: Des langen Disputs kurzer Sinn: Es geht nicht ohne Abfallvermeidung. Doch da stehen die Produktionsländer in der Pflicht. Der Tourismus verbreitet den Abfall nur. Wenn wir ernsthaft etwas gegen Abfall tun wollen, müssen wir die Produktion – hierzulande und in den ausgelagerten Produktionsstätten auf der ganzen Welt – müllfrei machen. Das hat aber mit Tourismus herzlich wenig zu tun.

Friedl: Frei nach Paul Watzlawick halte ich wenig von Patent-Lösungen im Sinne von “One fits all”. Es gibt keine abfallfreie Produktion, schon in der Steinzeit nicht. Ich plädiere für kreative Lösungen auf allen Ebenen: freilich auch in der Produktion, im Marketing, im Verbrauch und in der Entsorgung – in der gesamten Produktionskette. Eine Mischung aus Vermeidung, Recycling, Upcycling – mit dem utopischen Ziel des Cradle-to-Cradle (ess- oder kompostierbarer Müll), und das mit innovativen Methoden wie Nudging, Design-Thinking und Gamification, wie wir es in unseren Studiengängen der FH JOANNEUM lehren. Man kann den Homo ludens zu viel verführen: Zwingen lässt er sich nur durch die erhobene Knute. Das aber kommt im Tourismus nicht so gut.

 

Die Gesprächpartner*innen:

Jon Andrea Florin hat Soziologie und Betriebswirtschaftslehre studiert und – unter anderem – eine Suppen- und Weinbar geführt. Er leitet seit 3 ½  Jahren fairunterwegs. Kontakt: jon.florin@fairunterwegs.org

MMag. Dr. Harald A. Friedl ist assoz. Professor für Nachhaltigkeit und Ethik im Tourismus am Institut für „Gesundheit und Tourismus Management“ an der FH JOANNEUM – University of Applied Sciences - in Bad Gleichenberg, Österreich. Der Jurist und promovierte Ethiker war international als Touristiker tätig. Seine aktuelle Forschung fokussiert auf interkulturelle Kommunikation und Förderung von Transition in Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung, Technikfolgenabschätzung und auf gesundheitsförderliche, ethisch verträgliche Tourismusprodukte. Er ist Mitglied des Wissenschaftsbeirates des „Tourism Panel on Climate Warming“ (TPCC). Kontakt: harald.friedl@fh-joanneum.at

DIin Cornelia Kühhas studierte Landschaftsökologie und -gestaltung an der Universität für Bodenkultur in Wien. Sie leitet den Arbeitsbereich „RESPECT – Nachhaltige Tourismusentwicklung und Entwicklungszusammenarbeit“ bei der Naturfreunde Internationale. Kontakt: cornelia.kuehhas@respect.at

Mitarbeit: Elena Schwab (fairunterwegs)